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Religion, Vernunft und Gewalt: Der Papst als Feindbild der Muslime?

Von Heiner Boberski

Analysen

Nicht zum ersten Mal hat Papst Benedikt XVI. Anhänger einer anderen Religion "irritiert". Im Mai 2006 zitierte Indien den päpstlichen Nuntius in Neu Delhi ins dortige Außenamt, weil der Papst in Indien die mangelnde Religionsfreiheit kritisiert und damit die Hindu-Mehrheit gegen sich aufgebracht hatte.


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Nun droht der bayrische Pontifex in der islamischen Welt zum Buhmann zu werden, weil er in einem Vortrag an der Universität Regensburg kritische Sätze eines oströmischen Kaisers über den Propheten Mohammed zitiert hat.

Manuel II. Palaiologos, der offensichtlich darunter litt, dass er gezwungen war, dem türkischen Sultan Heeresdienste zu leisten, hatte 1391 - zwei Jahre nach der denkwürdigen Schlacht auf dem Amselfeld, die dem Osmanischen Reich für lange Zeit den Einfluss über die Balkanhalbinsel sicherte - gegenüber einem muslimischen Gelehrten betont: "Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung."

Man darf mit Sicherheit annehmen, dass es Benedikt um diese Aussage ging, er zitierte freilich auch einen Satz, der gläubigen Muslimen verständlicherweise im Magen liegt: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."

Dem Theologen und Nicht-Religionspolitiker Joseph Ratzinger, der sich akademisch mit Religion und Gewalt befasste, war vermutlich nicht bewusst, dass bereits der reine Vortrag eines Zitates, wonach Mohammed "nur Schlechtes und Inhumanes" gebracht habe, immensen Zündstoff birgt. In der islamischen Welt gibt es allzu viele Kräfte, die nur auf Anlässe warten, um Feindschaft gegen "das Abendland" und auch gegen die dort am meisten verbreitete Religion zu schüren. Und jeder weiß, dass sich auch getaufte, wenn auch nicht immer gläubige, Christen allzu oft - gegen die Anweisung ihres Meisters - über die Selbstverteidigung hinaus zum Schwert gegriffen haben, um ihre Macht auszubauen und Andersgläubige zu unterwerfen.

Eine Aufarbeitung des zwiespältigen Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zur Religionsfreiheit erfolgte erst 1965 durch das Dokument "Nostra aetate" auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Benedikt XVI. hat zum Islam sicher mehr Distanz als sein Vorgänger. Aber er wollte, gerade vor einem geplanten Türkei-Besuch, bestimmt die Muslime nicht beleidigen, sondern - vielleicht bewusst im Umfeld des 11. September - jeglicher Verbindung von Religion und Gewalt eine klare Absage erteilen.

Zu hoffen bleibt, dass sich nicht die Zündler, sondern jene, die dieses Anliegen verstehen, durchsetzen werden.