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Religionsfreiheit

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

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Die Tumulte in arabischen und asiatischen Ländern nach dem vertrottelten Video "Die Unschuld der Muslime" sind der bisher unrühmliche Höhepunkt in einer sich hochschaukelnden Auseinandersetzung zwischen Religions- und Freiheitsbegriff. Auch hierzulande gibt es wieder Stimmen, Blasphemie unter Strafe zu stellen. Pussy Riot in Moskau erzürnten die russisch-orthodoxe Kirche und wurden verurteilt. Konservative katholische Kreise unterstützten dies - diskret, aber doch.

Chefredakteur Reinhard Göweil.

In Israel möchten ultraorthodoxe Juden, dass Frauen im Bus hinten sitzen - züchtig verhüllt.

Der Gewaltausbruch in islamischen Ländern ist nicht zu entschuldigen und muss Europa entsetzen. Ein Blick nach Nordirland oder auf den Balkan zeigt aber, dass auch andernorts die zivilisatorische Schicht dünn ist, was religiöse Dinge betrifft. Gegen den in Venedig ausgezeichneten Filmemacher Ulrich Seidl gibt es in Italien eine Anzeige wegen Blasphemie.

Dass nun ein offenkundig grottenschlechter Film, produziert von einem idiotischen Provokateur, aber zu solchen Hassausbrüchen führt, ist nicht zu tolerieren. Es beweist vielmehr, dass auch von Religionsführern mehr Respekt und Verantwortung verlangt werden muss. So wie die Religionen selbst Respekt verdienen.

Das bedeutet nicht, dass sich Kunst - egal in welcher Form - nicht mehr kritisch mit Glauben auseinandersetzen soll - das Gegenteil ist der Fall. Und diese Kritik darf auch alles sein - nur nicht respektlos.

Für die radikal-islamische Salafisten und die Terror-Netzwerke im arabischen Raum sind Machwerke wie das anstößige Video ein gefundenes Fressen. Damit können sie Anhängern "beweisen", wie gering der Westen die muslimische Welt schätzt. Es gibt ja nichts Bequemeres als ein gepflegtes Vorurteil.

Es wäre nun eine schöne Aufgabe für die UNO, einen internationalen Dialog zwischen Religionen und weltlichen Regierenden in Gang zu bringen. Um wieder einmal klarzumachen, dass Freiheit das höchste Gut ist, das es in dieser Welt gibt. Zur Freiheit gehört auch das Idioten-Video. Gesetze, die diese Freiheit einschränken, gibt es ohnehin schon genug.

Freiheit bedeutet aber Respekt vor dem Anderen - auch und vor allem vor anderen Religionen. Solange die sich nicht immer stärker radikalisieren, was im Moment wohl der Fall ist.