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Muslim stellte Antrag auf Kurator für IGGiÖ. | Wahlen nicht ordnungsgemäß? | Faymann unterstützt Gesetzesänderungen, wenn notwendig. | Wien. Für Aufregung sorgt derzeit nicht nur der Umgang der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) mit ihren Religionslehrern (die "Wiener Zeitung" berichtete). Kritik kommt auch an den organisatorischen Strukturen der IGGiÖ. Günther Ahmed Rusznak vom Islamischen Dokumentations- und Informationszentrum hat vor einigen Monaten beim Bezirksgericht Josefstadt die Bestellung eines Kurators für die IGGiÖ beantragt - und zwar wegen Handlungsunfähigkeit und fehlender Legitimation der Organe.
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Während etwa bei den Katholiken jede Diözese für das verantwortlich ist, was in ihren Pfarren gepredigt wird, bestehen die Moscheen und islamischen Vereine völlig unabhängig von der IGGiÖ. Deren Vorsitzender, Anas Schakfeh, hat hier nur marginalen Einfluss und ist streng genommen für das, was in den Moscheen geschieht, nur bedingt verantwortlich: Einen Imam, der mit seiner Freitagspredigt für Empörung sorgt, kann die IGGiÖ nicht suspendieren, denn angestellt ist er nur bei einem Moscheeverein.
Mit einem vor kurzem eingerichteten Koordinierungsrat für die Kontakte zu anderen Islamvereinigungen versuchte die islamische Vertretung, etwas zu ändern. Doch das Problem bleibt bestehen. Die IGGiÖ wird im Grunde wie ein Verein geführt - wenn er auch alle Privilegien einer anerkannten Religionsgemeinschaft genießt. Etwa kann er quotenfreie Aufenthaltsgenehmigungen für ausländische Imame beantragen.
Rusznaks Vorwürfe gehen noch weiter: Die IGGiÖ-Wahlen müssten laut Statuten alle sechs Jahre stattfinden, zuletzt Anfang 2008. Doch das ist nicht geschehen. Schwer wiegt auch der Vorwurf, dass ordnungsgemäße Wahlen nie stattgefunden hätten.
Mitgliederzahl unbekannt
Wahlberechtigt sind nur Mitglieder der Glaubensgemeinschaft, die jährlich eine Kultusumlage von 43,60 Euro entrichten. Diese wurde aber nie genehmigt. Bis heute ist die offizielle Mitgliederzahl unbekannt, und damit auch die Zahl der Wahlberechtigen. "Gesetzlich sind aber Wahllisten vorgesehen", meint Rusznak.
Die Islamgesetzgebung lässt viel offen: Zur Regelung der Wahlen fehlt etwa eine Wahlordnung. Zudem dürfte der Großteil jener Muslime, die sich an den vergangenen Wahlen beteiligt hatten, den jährlichen Obulus nicht mehr eingezahlt haben und nicht länger Mitglied sein. Rusznak schätzt die derzeitige Mitgliederzahl auf rund 300. Gewählte Personen befinden sich heute nicht mehr in den Religionsgemeindeausschüssen, einige sind im Ausland, andere wurden ausgewechselt. Ob die Angehörigen der Wahllisten auch österreichische Staatsbürger sind, wurde von den Behörden nicht kontrolliert, obwohl das Anerkennungsgesetz der Religionsgemeinschaften solches vorsieht.
Das beinahe 100 Jahre alte Islamgesetz verlangt eine Regelung über eine Verordnung. Diese wurde 1988 erlassen und fiel mit drei Paragrafen, von denen einer das Datum ihres Inkrafttretens festlegt, ziemlich bescheiden aus. Doch die Statuten der IGGiÖ erfüllen selbst diese Verordnung nicht: Laut Paragraf zwei müssten die Statuten nämlich "die Erfordernisse der Zugehörigkeit und die Art des Beitrittes" enthalten, und eben dies ist nicht der Fall. Die jetzige IGGiÖ-Verfassung lässt offen, wie man Mitglied und damit wahlberechtigt wird. "Wir können uns die Mitglieder aussuchen", erklärt Schakfeh. Diese Vorgehensweise entspricht der eines Vereins, aber nicht jener einer Körperschaft öffentlichen Rechts.
Ein Grund für die Widersprüche zur Verordnung könnte darin liegen, dass nie geprüft wurde, ob die IGGiÖ-Statuten überhaupt verordnungsgerecht sind. Die Verfassung wurde nämlich vor der Verordnung von 1988 bewilligt, und danach nie mehr. Der erste Entwurf für eine neue Verfassung wurde vom Kultusamt zurückgewiesen, seit Dezember 2008 liegt ein neuer vor. Ob angesichts der Vorwürfe Rusznaks ein Kurator für die IGGiÖ bestellt wird, muss das Gericht entscheiden.
In die Debatte um Islamlehrer hat sich nun auch Kanzler Werner Faymann eingeschaltet: Für ihn ist es "zu früh, um gleich mit Paragrafen zu wacheln". Sollten aber Gesetzesänderungen nötig sein, werde er das unterstützen, so Faymann. Die Religionsfreiheit sei "nicht dazu da, einen Schutzschild über jemanden zu setzen, der nicht mit den demokratischen Grundregeln übereinstimmt".
Schmied sucht das Gespräch
Bildungsministerin Claudia Schmied zeigte sich über die Studie "sehr alarmiert und betroffen". Als ersten Schritt will sie sich ein "klares Bild über die Wirklichkeit" machen. Deshalb werde sie mit Studienautor Mouhanad Khorchide, Ednan Aslan vom Institut für islamische Religionspädagogik und Schakfeh Gespräche führen, sagte Schmied.
Das ist der ÖVP-Abgeordneten Katharina Cortolezis-Schlager allerdings zu wenig. Sie fordert eine sofortige Evaluierung des Islam unterrichts. Es müsse disziplinarrechtliche Konsequenzen für jene Islamlehrer geben, die gegen die Grundrechte verstoßen und im Unterricht zu Gewalt aufrufen, so Cortolezis. Dass dies überhaupt möglich war, hält sie für ein Versäumnis der Schulaufsicht.
Die IGGiÖ selbst wehrt sich gegen "Diffamierung" im Zusammenhang mit der Studie. Die aufgeworfenen Fragen seien ernst zu nehmen, doch wegen der negativen Stereotypisierung wachse die Sorge vor ernsten Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima. Man will die Studie nun "sachlich, nüchtern und fair" analysieren.
Für problematisch hält Bildungsforscher Stefan Hopmann von der Uni Wien die Studie: Hier würden "in einer Art und Weise Aussagen über Einstellungen und Haltungen konstruiert, die wissenschaftlich unhaltbar sind".