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Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal liegen Kopf-an-Kopf. | Konservativer Kandidat besucht Rinderfarm. | Sozialistin lässt sich auf Straßenmarkt in Paris sehen. | Paris. (reuters) Im Rennen um die Nachfolge des scheidenden französischen Präsidenten Jacques Chirac kommt es am Sonntag zur Vorentscheidung: Jüngsten Erhebungen zufolge läuft bei der ersten Runde der Wahl alles auf Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Konservativen Nicolas Sarkozy und seiner sozialistischen Rivalin Ségolène Royal hinaus. Beide müssten sich dann einer Stichwahl in zwei Wochen stellen. Am Freitag, dem letzten Tag des Wahlkampfs, präsentierten sich die Favoriten noch einmal bei stark symbolischen Auftritten:
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Während Sarkozy eine Rinderfarm im Süden des Landes besuchte, ließ sich Royal auf einem trendigen Straßenmarkt in Paris und bei einem Picknick sehen. Der zentristische Kandidat Francois Bayrou, dem ein Überraschungserfolg zugetraut wird, besuchte in Verdun ein Denkmal des Ersten Weltkriegs.
In der ersten Runde der Präsidentenwahl buhlen zwölf Kandidaten um die Gunst der Wähler. Neben Sarkozy und Royal rechnen sich aber allenfalls noch Bayrou und der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen Chancen auf einen Einzug in die zweite Runde ein. Einer Umfragen des Instituts CSA zufolge liegt Sarkozy mit 27 Prozent vor Royal mit 26 Prozent. Bayrou kommt auf 17 und Le Pen auf 16 Prozent. Für die Stichwahl, die in zwei Wochen angesetzt ist, liegen Sarkozy und Royal in etwa gleich auf. Letzte Umfragen wurden am späten Freitagabend erwartet. Am Samstag ruht der Wahlkampf, auch Erhebungen dürfen nicht mehr veröffentlicht werden. Vor allem Bayrou setzt darauf, dass er mit seinen unorthodoxen Vorschlägen noch viele unentschlossene Franzosen für sich gewinnen kann: Rund 30 Prozent haben sich noch nicht entschieden, für wen sie stimmen werden.
72 Stunden für den Sieg
Der frühere Innenminister Sarkozy sah lange wie der sichere Sieger aus, spürt nun aber den heißen Atem seiner sozialistischen Konkurrentin im Nacken. Royal, die zuletzt wieder Morgenluft witterte, rief am Freitag ihre Landsleute auf, sich massiv an den Wahlen zu beteiligen. Die Sozialistin versucht nach einem holprigen Wahlkampfauftakt mit dem Thema soziale Gerechtigkeit zu punkten und als erste Frau das höchste Staatsamt zu erobern.
Der umtriebige Sarkozy hatte zuletzt die Schlagzahl noch einmal erhöht: Unter dem Motto "72 Stunden, um zu gewinnen" kündigte er im Internet an, im Wahlkampfendspurt noch einmal richtig Gas geben zu wollen. Der 52-Jährige hat sich mit markigen Sprüchen gegen illegale Einwanderung und Kriminalität den Ruf eines Polarisierers erworben. Am Freitag klagte er in einem Zeitungsinterview, seine Familie habe in den letzten Wochen stark unter Provokationen gelitten. Er selbst sei "mit Narben übersät".
Bayrou ließ insbesondere mit dem Plan aufhorchen, als Präsident das traditionelle Lagerdenken aufzubrechen und eine große Koalition bilden zu wollen. Falls der 55-jährige frühere Bildungsminister noch in der Wählergunst zulegen sollte, könnte er für eine faustdicke Überraschung sorgen: In einer Stichwahl sehen ihn die Demoskopen im Duell mit Sarkozy vorn. Gerade weil die Wahl durch den "dritten Mann" Bayrou an Farbe gewonnen hat, wird am Sonntag mit einer erheblich höheren Wahlbeteiligung als vor fünf Jahren gerechnet.
Damals hatte Le Pen ein Erdbeben in der politischen Landschaft Frankreichs ausgelöst, als er den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin in der ersten Wahlrunde aus dem Rennen warf und erst in der Stichwahl dem Konservativen Chirac unterlag. Der 78-jährige Rechtsausleger Le Pen lauert auch diesmal auf seine Chance und teilte jüngst gegen Sarkozy aus.
Dieser habe als Sohn eines ungarischen Einwanderers einen Immigrationshintergrund, während er selbst ein bodenständiger Franzose sei, tönte Le Pen im Fernsehen. Sarkozy konterte, er sei stolz auf seine Herkunft und darauf, dass er Franzose sei.
Der verbale Schlagabtausch wirft ein Schlaglicht auf den Politikbetrieb in Frankreich. Die Kandidaten linker wie rechter Couleur bieten in den Augen vieler Franzosen kein Rezept gegen den schleichenden wirtschaftlichen Niedergang des Landes im harten Wind der Globalisierung.