Die lang erwartete Privatisierung des ukrainischen Stahlriesen Krivorozstal wird nun Realität. Bis 11. Juni sollen die Angebote der am Unternehmen interessierten Bieter vorliegen. Zum Verkauf stehen 93,02% des Unternehmens, die verbleibenden 6,98% werden zu Sonderkonditionen an die Belegschaft gehen.
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Unter den Bietern für Krivorozstal, dem größten Stahlproduzenten der Ukraine, befinden sich gleich mehrere internationale Branchengiganten, unter ihnen auch der weltgrößte Stahlkonzern Acelor und die russische Severstal. Inzwischen ist allerdings klar, dass diese beiden Unternehmen ein gemeinsames Angebot legen werden. Die Russen wollen ca. 75% von Krivorozstal erwerben, Arcelor das verbleibende Viertel. Insgesamt haben Arcelor und Severstal Medienberichten zufolge vor, rund 830 Millionen Euro für das Krivoroz-Imperium zu zahlen, wobei in dieser Summe neben dem Kaufpreis auch Investitionszusagen inkludiert sein dürften.
Ein ähnlich hohes Angebot wie von Severstal-Arcelor wird für Krivorozstal von der indischen Tata Steel Company erwartet. Neben den Indern sind überdies auch zwei ukrainische Schwergewichte im Rennen: die Donbas Industrie Union, die schon bei der Privatisierung der ungarischen Dunaferr Severstal ausstechen konnte, und die weniger bekannte Investment and Metallurgical Union IMU. Sie ist ein extra für den Zweck der Krivorozstal-Übernahme kreiertes Joint-Venture der Interpipe Group des Schwiegersohns von Präsident Leonid Kutschma, Viktor Pintschuk, und der SCM-Gruppe des Oligarchen Rinat Akhmetov.
Die bislang größten Privatisierungen im Land wurde nach langem politischen Hickhack beschlossen. Mit einem Marktanteil von 20% ist Krivorozstal unumstrittener ukrainischer Marktführer. Die Produktion betrug 2003 rund 6 Mill. Tonnen Roheisen, 6,3 Mill. Tonnen Walzstahl und 7,1 t Rohstahl. Der Nettogewinn 2003 wurde mit 106 Mill. Euro angegeben. Für heuer werden 78 Mill. Euro erwartet. Als aussichtsreichste Kandidaten für die Krivorozstal-Übernahme galten die längste Zeit Severstal und Acelor. Vor allem Severstal schien nahezu ideale Voraussetzungen mitzubringen: Die Russen kontrollieren ausreichend Kohleminen, um die Energieversorgung für Krivorozstal über weite Strecken selbst abzuwickeln, und sie sind, was nicht weniger wiegt, mit der postsowjetischen Wirtschaftsmentalität genauso vertraut wie die Ukrainer.
Neue Regel wäre Vorteil für Kutschma-Schwiegersohn
Inzwischen werden allerdings dennoch immer öfter Zweifel laut, ob das Severstal-Arcelor-Duo tatsächlich Chancen hat, bei der Krivorozstal-Privatisierung den Zuschlag zu bekommen. So berichtet etwa die Wochenzeitung "Zerkalo Nedeli", die Ukraine könnte bei der Auswahl des Investors zur Bedingung machen, dass nur Unternehmen zum Zug kommen, die in den vergangenen drei Jahren jährlich mindestens eine Million Koks in der Ukraine produzierten. Damit wären den Berechnungen der Zeitung nach bis auf das IMU-Konsortium, an dem Kutschmas Schwiegersohn Pintschuk beteiligt ist, alle anderen Bewerber aus dem Rennen.
Sollte das sogenannte Koks-Kriterium tatsächlich schlagend und die Angebote der ausländischen Bieter wirklich abgelehnt werden, scheint allerdings ein langwieriges juridisches Nachspiel vor internationalen Gerichten programmiert.