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"Der Alsergrund muss unbedingt zurückerobert werden", lautet die Devise von Wiens ÖVP-Parteiobmann Vizebürgermeister Bernhard Görg, der sich für seinen Parteikollegen, den Bezirksvorsteherkandidaten Wolfgang Stalitzer, mächtig ins Zeug wirft. Seit 1991 lenkt im 9. Bezirk Vorsteher Hans Benke von der SPÖ die Geschicke. Davor war der "bürgerliche" Bezirk mit einem hohen Anteil von älteren Bewohnern in ÖVP-Hand. Bei der letzten Wahl 1996 trennten die ÖVP von der SPÖ nur magere 182 Stimmen.
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Die Volkspartei stellt in Wien sieben Bezirksvorsteher. Ein äußerst beliebter Posten, sichert er dem Inhaber doch den Einfluss auf kleinere Projekte, die dann im Beisein der Bevölkerung auch festlich eröffnet werden.
Laut Wiener Stadtverfassung stellt die stimmenstärkste Partei des Bezirks den Vorsteher und gleichzeitig den ersten Stellvertreter. Erst dann wird die zweitstärkste Partei berücksichtigt und darf den zweiten Stellvertreter nominieren, der aber de facto kaum zum Zug kommt. Doch die Zeiten der unumschränkten Herrschaft der Bezirkskaiser sind vorbei. Seit 1996 gibt es nur noch einen Bezirk, in dem eine Partei über die absolute Mehrheit verfügt: Im 11. Bezirk hat die SPÖ ohne Wenn und Aber das Sagen.
Ansonsten ist die Mehrheitsbildung in den Bezirksparlamenten relativ frei, fixe Koalitionen gibt es nicht. Von Fall zu Fall können für einzelne Projekte Verbündete gefunden werden. Vor allem für jene, die aus dem Bezirksbudget finanziert werden, muss sich die Mehrheit der Bezirksräte einig sein.
Bei der letzten Bezirksvertretungswahl im Jahr 1996 hatte die ÖVP die Mehrheit im Alsergrund um 182 Stimmen verfehlt. "Und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir es diesmal nicht schaffen", betont Görg. Stalitzer, der sich als Angebot für die bürgerlichen Wähler versteht, will vor allem die Wahlverweigerer auf seine Seite ziehen: "Nichts gegen das Ausländerwahlrecht, aber wichtiger ist es, die Nicht-Wähler zu gewinnen." Außerdem plädiert er für die Direktwahl des Bezirkvorstehers. Bei dieser hätte allerdings auch Konkurrent Benke gute Chancen, ist dieser doch über die Parteigrenzen hinweg für seinen Kurs geachtet. Im Wahlkampf fährt Stalitzer mit einer Latte von aktuellen Projekten auf. Unter der dem Motto "Alsergrund neudenken" tritt er für eine völlige Neugestaltung der Markthalle ein. "Diese wurde bei der letzten Sanierung 1995 zu Tode renoviert", erklärt Stalitzer. Auch gäbe es schon einen Investor; die Verhandlungen seien in der Endphase. Damit wäre die Nahversorgung wieder gesichert, hofft der VP-Kandidat. In Sachen Verkehr sind ihm die Gehsteig-Ohrwaschel ein Dorn im Aug. "Die verschlingen viel Geld, das für Kindergärten oder Schulen verwendet werden könnte."
Auch die Radwegverbindung Gürtel - Donaukanal ist ihm ein Anliegen: "Denn damit wäre ein wesentlicher Schwachpunkt des Alsergrunder Radnetzes beseitigt." Gerade über diese Forderung zeigt sich der amtierende Bezirksvorsteher Benke gegenüber der "Wiener Zeitung" verwundert: "Hat doch die ÖVP in den letzten Jahren alles, was mit Rad zu tun hatte, torpediert." Etwas sonderbar findet der SP-Politiker auch Stalitzers Einsatz gegen das Drogenproblem: "Das ist reine Panikmache." Denn die Polizei habe die Szene unter Kontrolle. "Aber damit will er die Sympathien der freiheitlichen Wähler gewinnen." Überhaupt ist Benke erstaunt, dass die Forderungen des Bezirks plötzlich als Vorschläge der Volkspartei präsentiert werden: "Aber so ist nun Mal der Wahlkampf." Benke zeigt sich guter Dinge wiedergewählt zu werden, "denn der Alsergrund ist bürgerlich, aber nicht konservativ."