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Er soll Patienten fälschlicherweise Berufsunfähigkeit bescheinigt haben.
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Wien. "Ich habe alle Klassen in der Mittelschule und alle medizinischen Prüfungen mit Auszeichnung bestanden", erklärt der Angeklagte. Aus einer angesehenen Medizinerfamilie stammend, habe er sub auspiciis promoviert. In professoraler Manier zählt er all die hochrangigen Positionen auf, die er in seinem Karriereverlauf in Wien innehatte. Über 12.000 Patienten habe er über die Jahrzehnte behandelt, sagt er stolz.
Und nun das. Am Montag hat sich der Psychotherapeut und renommierte Facharzt für Psychiatrie vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Richter Michael Tolstiuk) des Wiener Straflandesgerichts zu verantworten. Er soll Patienten fälschlicherweise ihre Arbeits- und Berufsunfähigkeit bescheinigt haben. Diese sollen sich dadurch von 2007 bis 2017 Invaliditätspensionen, Ausgleichszulagen und Pflegegelder erschlichen haben. Der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) ist laut Anklage ein Schaden von 813.000 Euro entstanden. Der Arzt und neun Patienten müssen sich wegen schweren, gewerbsmäßigen Betruges verantworten.
"Es gibt kein Motiv"
Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe vehement. "Es gibt kein Motiv, keinen Vorteil", sagt Georg Zanger, der Verteidiger des Arztes. Seinem Mandanten sei nichts für die Befunde bezahlt worden.
"Es gab keinen Geldfluss", schließt sich der Arzt seinem Verteidiger an. "Geld hat überhaupt keine Rolle gespielt." Er habe sich früh entschlossen, Psychiater zu werden und sich um ärmere Leute zu kümmern, obwohl man damit weniger Geld als beispielsweise ein Gynäkologe verdiene.
"Ich bekenne mich überhaupt nicht schuldig", erklärt der Mediziner. "Alle waren krank", sagt er über seine Patienten und nun neben ihm sitzenden Angeklagten. Jener sei Diabetiker, dieser habe einen Herzinfarkt gehabt, jene ein Burnout, erklärt er, mit den Fingern auf die Personen deutend.
Jeder Angeklagte habe schon eine längere Krankengeschichte gehabt, bevor er sie begutachtet habe. "Ich habe mich grundsätzlich an dem orientiert, was es an Vorbefunden gegeben hat, was sinnvoll und vernünftig ist." Zudem seien die Patienten nach seinem Befund dann ja auch noch von Ärzten der PVA mehrmals untersucht worden, ehe sie Sozialleistungen bekommen haben.
"Der hat eine andere Schule"
"Es gab laufend Nachuntersuchungen von PVA-Ärzten", sagt der Mediziner. Diese "alten Hasen" wären in der Lage, Simulanten von Kranken zu unterscheiden. "Das liegt dann in ihrer Verantwortung", sagt der Psychiater.
Richter Tolstiuk hört sich schweigend die rund zehnminütigen Ausführungen des Arztes an. "Gibt’s noch Fragen?", wirft er dann in die Runde. Die Staatsanwältin bejaht. Sie bezieht sich mehrfach auf ein medizinisches Gutachten, das ein gerichtlicher Sachverständiger erstellt hat.
Laut dem Gutachten waren mehrere Diagnosen und Befunde des Psychiaters unrichtig bzw. fragwürdig. Der Facharzt habe den Patienten etwa fälschlicherweise eine Demenz oder Borderline-Störung attestiert, oft würden dessen Befunde mit den Diagnosen der anderen Ärzte nicht korrelieren, so der Gutachter. Den Angeklagten gehe es teils viel besser, als der Arzt ihnen bescheinigt habe.
"Der hat eine andere Schule", sagt der angeklagte Arzt über den Gutachter. "Der hat den Charakter nicht beurteilt. Ich weiß auch nicht, ob er das kann", führt er aus. Auch werde Alzheimer "oft zu spät diagnostiziert".
Dass es manchen Patienten mittlerweile schon besser gehe, zeige, "wie gut die Behandlung durch den Arzt war", meint Christian Werner, der zwei Angeklagte vertritt. "Wir leben in einer Zeit, in der Leute vom Krebs geheilt werden können."
Von Vertrauensperson belastet
Neben dem Gutachter werden die Angeklagten auch von einer Vertrauensperson der Polizei belastet. Der Mann hatte die angeblichen Machenschaften rund um den Arzt bei der Exekutive gemeldet und damit die Ermittlungen in Gang gesetzt. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt, ein Urteil soll voraussichtlich am Freitag fallen.