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Der deutsche Bundestag hat am Freitag die umstrittene Renten-Reform beschlossen. Ziel ist es, die Finanzierung der Renten-Versicherung für die Zukunft zu sichern und zugleich die Beiträge bis zum Jahr 2020 nicht über 20 Prozent ansteigen zu lassen (zur Zeit liegen sie bei 19,1 Prozent). Um Rentenkürzungen abzumildern, wird eine zusätzliche private Vorsorge geschaffen. Sie bleibt freiwillig, wird aber vom Staat mit Zuschüssen und Steuererleichterungen gefördert. Dazu sind in der Endphase ab 2008 knapp 20 Mrd. Mark (10,23 Mrd. Euro/141 Mrd. S) vorgesehen.
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Diese Reform war schwierig wie kaum eine andere. Bis zuletzt wurde geändert und korrigiert. Als der Bundestag dann die Renten-Reform schließlich beschloss, konnte Bundeskanzler Gerhard Schröder einen weiteren Erfolg für sich verbuchen. Den endgültigen Sieg bedeutet dies allerdings noch nicht.
Jahrzehnte war den Deutschen versichert worden: "Die Renten sind sicher". Die Zuversicht schwand, je stärker die Zahl der Rentner anstieg und die der Beitragszahler sank. Schon die vorangegangene Mitte-Rechts-Regierung unter dem christdemokratischen Bundeskanzler Helmut Kohl sah sich zu schmerzhaften Korrekturen gezwungen.
Das rot-grüne Kabinett Schröder nahm diese Änderungen sofort nach dem Wahlsieg im Herbst 1998 als "unsozial" zurück und nahm dann selbst eine Neuordnung der Renten in Angriff. Kein Weg führt an der Notwendigkeit vorbei, die Rentenbeiträge für die Jungen bezahlbar zu halten. Als die Erhöhung der Renten dann auf den Inflations-Ausgleich begrenzt wurde, sprach die konservative Opposition ein erstes Mal von "Betrug". Diesen Vorwurf erneuerte sie jetzt.
Der erbitterte Streit um die Renten wird in den nächsten Landtags-Wahlkämpfen und beim Wettkampf um die Macht vor der Bundestagswahl 2002 neu aufflammen. Ein erstes Plakat, mit dem die Christdemokraten den Kanzler als "Renten-Betrüger" entlarven wollten, war allerdings ein Eigentor. CDU-Partei-Chefin Angela Merkel bedauerte zwar das "Fahndungs-Plakat" mit einem Kanzler aus dem Verbrecher-Album, entschuldigen wollte sie sich aber beim Regierungschef nicht.
Rot-Grün kann dieser Streit nur gelegen sein. Denn der Beifall für die Renten-Reform war auch außerhalb des Parlaments begrenzt. Die Arbeitgeber, Verbände der Rentner und manche Experten bezweifelten, dass die jetzigen Weichenstellungen ausreichen, um die Beiträge so niedrig wie geplant zu halten und gleichzeitig die Renten zu sichern. Die regierungsamtliche Devise, jetzt seien alle Gewinner, stieß auf Skepsis.
Denn auf Druck der Gewerkschaften, die die Mobil-Machung der Basis schon begonnen hatten, war ein Renten-Niveau von 67 Prozent festgeschrieben worden. Das aber gelinge nur, wenn entweder später die Beiträge doch stärker als versprochen steigen, oder wenn die offizielle Ruhestands-Grenze von 65 Jahren aufgegeben wird, sagen viele Experten.
Ob die private Zusatzversorgung große Zustimmung findet, ist noch ungewiss. Zwar will die die rot-grüne Regierung sie mit staatlichen Zuschüssen und Steuer-Erleichterungen schmackhaft machen, doch sie wird freiwillig bleiben und gerade dem Arbeiter oder der Verkäuferin mit niedrigem Abkommen deutliche Opfer abverlangen. Bisher freuen sich nur Versicherungen und Banken auf neue Geschäfte.
Wie schwierig all dies ist, zeigt etwa der Versuch, das in Deutschland geliebte Eigenheim in die Alterssicherung einzubeziehen. Es erscheint keinesfalls sicher, dass Herr oder Frau Jedermann sich mit dem Gedanken anfreunden können, das mühsam angesparte Häuschen nicht den Kindern vererben zu können, sondern der Bank verkaufen zu müssen, um so eine Rente am Lebensabend zu bekommen. Die Details dazu stehen ohnehin noch nicht fest.
Ehe die Abgeordneten nach dem Votum über die Renten-Reform in das Wochenende aufbrachen, wurden schon Wetten geschlossen. Die einen sind sich sicher, dass es noch in diesem Jahr weitere Nachbesserungen geben muss. Andere wieder sind überzeugt, dass Sozialminister Walter Riester, der bei dieser Reform manche Niederlage erlebte, dann bereits nicht mehr im Amt sei.