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Der neue starke Mann in Rom arbeitet an seinem Image als Turbo-Reformer.
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Rom. Für die einen ist es nur ein weiteres Kapitel aus der Wundertüte des Matteo Renzi. Andere erkennen in dem Reformpaket konkrete Schritte in Richtung Wirtschaftsaufschwung. Der 39-jährige italienische Ministerpräsident hat nun erstmals detaillierte Pläne zur Förderung der Konjunktur vorgelegt. Sie sollen in den kommenden Wochen Gesetz werden.
Renzi kündigte bei einer Pressekonferenz am Mittwochabend in Rom Steuererleichterungen in Höhe von insgesamt 12,4 Milliarden Euro an. Italiens Wirtschaft soll durch die Förderung der Nachfrage, aber auch durch die Erleichterung von Neuanstellungen wieder in Schwung kommen. Den Fokus setzt die Regierung Renzi dabei vor allem auf die Geringverdiener, deren Einkommenssteuerlast um zehn Milliarden Euro verringert werden soll. Arbeitnehmer mit einem Nettoeinkommen bis 1500 Euro monatlich sollen damit ab Mai etwa 80 Euro im Monat mehr zur Verfügung haben.
Die Kosten dieser Maßnahmen will Renzi vor allem durch Einsparungen beim Staatshaushalt und durch die gesunkenen Verschuldungskosten decken. Der neue Premier kündigte aber auch an, den Spielraum, den Italien bei der Neuverschuldung hat, auszureizen. Derzeit wird im Staatshaushalt mit einer Neuverschuldung von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kalkuliert. Die Regierung will nun wieder bis an die Grenze der in der EU erlaubten Neuverschuldung von drei Prozent gehen. Während die EU Italien vor der Ausweitung seiner Neuverschuldung warnt, gibt es in Italien einen breiten Konsens, der Aufschwung müsste mit neuen Schulden stimuliert werden. Italien wird von einer Schuldenlast in Höhe von über 2100 Milliarden Euro gedrückt. Für 2014 prognostizierte die EU-Kommission Gesamtverbindlichkeiten von 134 Prozent des BIP.
Lob von der Gewerkschaft
Außerdem kündigte der ehemalige Bürgermeister von Florenz und Chef der gemäßigt linken Demokratischen Partei (PD) eine Reduzierung der Unternehmenssteuer um zehn Prozent an. Ab Mai sollen Unternehmen damit einen Anreiz für Neueinstellungen bekommen. Das Volumen der Steuererleichterungen für die Unternehmen beläuft sich auf 2,4 Milliarden Euro. Dieses Geld will die Regierung aus der höheren Besteuerung von Kapitalerträgen einnehmen. Die Vorsitzende der größten Gewerkschaft in Italien CGIL, Susanna Camusso, lobte die Maßnahmen: "Mir kommt es vor, als habe die Regierung unser Programm kopiert." Der Unternehmerverband Confindustria wollte sich hingegen nicht äußern. Renzi kündigte zudem an, Schulden in Höhe von 68 Milliarden Euro, die die Staatsverwaltung bei Unternehmen hat, auszubezahlen. Die Finanzierung dieses Versprechens blieb zunächst unklar.
Bei der Präsentation seiner Pläne verknüpft der Ministerpräsident sein politisches Schicksal auch mit dem Erfolg der von ihm bereits angestoßenen Verfassungsreformen. "Meine politische Karriere ist beendet, wenn es nicht gelingt, das Zweikammersystem abzuschaffen", sagte Renzi. In Italien gehen Gesetze oft monatelang zwischen Abgeordnetenhaus und Senat hin und her bevor sie wirksam werden.
Am Mittwoch hatte das Abgeordnetenhaus in diesem Zusammenhang einen ersten Schritt gemacht. Die Abgeordneten stimmten für ein neues Wahlgesetz, das per Mehrheitsbonus und Stichwahl einen klaren Sieger nach den Parlamentswahlen garantieren soll und den Einfluss der Kleinparteien beschneidet. Erstmals wurde auch eine Hürde für den Einzug in das Parlament von 4,5 Prozent eingeführt. Parteien, die nicht in einer Koalition antreten, müssen sogar auf mindestens acht Prozent der Stimmen für den Einzug kommen.
Auf die Auswahl der Parlamentarier haben die Wähler aber auch in Zukunft keinen Einfluss. Kritisiert wird auch, dass das Gesetz nur für das Abgeordnetenhaus gilt und nicht für den Senat, den Renzi in seiner aktuellen Form abgeschafft will. Diese Maßnahme war Bedingung des Koalitionspartners Neue Rechte Mitte (Ncd) um Innenminister Angelino Alfano gewesen. Alfanos Partei befürchtete, nach der Verabschiedung des Wahlgesetzes für beide Kammern würde Renzi sofort Neuwahlen provozieren, bei denen Ncd nicht genügend Stimmen für den Wiedereinzug ins Parlament bekommen würde. Da die Abschaffung der zweiten Parlamentskammer eine komplexe Operation ist, die mehr Zeit erfordert, verlangte Ncd, die Reform in zwei Schritten auszuführen. Nach ihrem Kalkül sicherte sich die Partei so eine vorläufige Garantie für das politische Überleben.