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Renzi: "Yes we can" auf Italienisch

Von Alexander U. Mathé

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In Italien - so will es ein Klischee - ist es nicht ungewöhnlich, mit 35 noch an der Universität zu werken und bei den Eltern zu leben. Verzweifelte Jugendliche nennen sich selbst die "Generazione mille Euro", die Generation, die ihre Jugend mit 1000-Euro-Jobs verbringt, bis sie sich schließlich - ins Alter gekommen - situieren und unabhängig leben kann.


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Unter diesen Voraussetzungen dürfte für ausreichend Aufmerksamkeit gesorgt sein, wenn in Italien jemand mit 35 Jahren bereits verheiratet ist, drei Kinder hat und einer Metropole vorsteht. Genau das hat Matteo Renzi geschafft, der Bürgermeister von Florenz ist. Schon im Alter von 29 Jahren hatte er seinen politischen Aufstieg begonnen, nachdem er die Wahl zum Präsidenten der Provinz Florenz gewann.

Mit Renzi weht ein neuer Wind in Italiens Politik, heißt es unter enthusiastischen Jugendlichen, der Zielgruppe des Politikers der linken Oppositionspartei, Partito Democratico. Renzi ist hip und dynamisch: Er ist überzeugter Fahrradfahrer, freie Stadtflächen stellt er lieber für Begrünung zur Verfügung statt für neue Immobilien, und er hat dafür gesorgt, dass der Domplatz seiner Stadt zur Fußgängerzone wird. Ein weiteres Projekt: die beste Joggingstrecke der Welt in Florenz zu schaffen.

Auf seinem Weg nach oben hat er sich gegen die altehrwürdigen Herren durchgesetzt, die das politische Leben Italiens fast ausschließlich dominieren. Das macht vielen Jugendlichen Mut und lässt sie hoffen, sich ebenso und ebenso schnell emanzipieren zu können.

Zudem verspricht Renzi Effizienz. Er hat den Stadtrat verkleinert und versichert, die Posten jenen zukommen zu lassen, die es verdienen, und nicht jenen, die über die besten politischen Seilschaften verfügen. Frauen bekamen unter ihm wichtige Ämter und ein unabhängiges Unternehmen kontrolliert die Finanzen der Stadt.

Weil man bei einem jungen, dynamischen Hoffnungsträger, der links der politischen Mitte steht, gerne auf den US-Präsidenten Barack Obama verweist, wurde er auch als italienischer Obama gefeiert. Renzi gilt als der "neue Mann" der Partito Democratico. Er steht für das "Yes we can" der von Politik und Leben verdrossenen Jugend.

Renzi sorgt auch außerhalb von Italien für hohe Wellen und hat so vor kurzem den Mann getroffen, mit dem er so gerne verglichen wird: Barack Obama. Als einziger europäischer Stadtvater war er nämlich eingeladen, an der Konferenz der US-Bürgermeister teilzunehmen, die unter anderem mit dem US-Präsidenten zusammentrafen.

Weniger beliebt ist Renzi allerdings bei der linken Basis seiner Partei. Für die ist der junge Charmeur nämlich zu rechts. Das kann daran liegen, dass Renzi überzeugter Katholik ist. Das Opus Dei, munkelt man, sei seine große Stütze. Er selbst erklärte, dass der Vatikan niemals seine politische Linie vorgeben werde. Es kann auch daran liegen, dass er gegen Homo-Ehe und gegen Legalisierung weicher Drogen ist. Doch was den harten Kern seiner Partei stört, dürfte seine große Stärke sein: Zusätzlich zur Stammwählerschaft holt er sich die Stimmen von Mitte-Rechts.