Umfragen sehen Mitte-Links-Koalition klar voran. | Berlusconi auf allen Kanälen. | Prodi zeigt sich siegessicher. | Rom. Wenn bei den italienischen Parlamentswahlen am 9. und 10. April Romano Prodi dem amtierenden Regierungschef Silvio Berlusconi gegenübersteht, werden viele Wähler ein Deja-vu-Erlebnis haben: Vor fast genau zehn Jahren, am 21. April 1996, hatten sie schon einmal die Wahl zwischen diesen beiden Männern. Prodi war damals der Sieger und könnte es auch diesmal werden. Darauf deuten zumindest alle Meinungsumfragen hin.
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In der letzten Umfrage, deren Ergebnisse am Dienstag von der Zeitung "la Repubblica" veröffentlicht wurde, liegen die Parteien des Mitte-Links-Wahlbündnisses "Unione" bei 52 Prozent und sie würden damit 340 der 617 Sitze im Abgeordnetenhaus bekommen, während die Parteien der Regierungskoalition "Casa delle Liberta" (CDL - Haus der Freiheiten) nur auf 47 Prozent und 277 Sitze kämen.
Regierungschef Silvio Berlusconi, dessen Koalition bei den Regional- und Kommunalwahlen der letzten beiden Jahre herbe Verluste hinnehmen musste, zeigt sich trotzdem siegessicher. "In zwei Wochen werden wir die Opposition in den Umfragen überholen", macht er in Zweckoptimismus. In fast alltäglichen TV-Auftritten - Herausforderer Romano Prodi ätzte schon, dass man den Regierungschef demnächst auch in einer Teleshopping-Sendung beim Verkauf von Teppichen sehen werde - wirbt der Herr über drei nationale TV-Kanäle für sich. Er brauche eine Mandatsverlängerung, um seine Reformen durchzuführen, wie es bereits andere große Persönlichkeiten, wie Margaret Thatcher, Tony Blair, Helmut Kohl und Bill Clinton getan haben, ließ Berlusconi seine Anhänger am Wochenende wissen.
Berlusconi: Prodi ist nur ein Strohmann
Prodis Popularität macht ihm aber trotzdem zu schaffen und so wird er nicht müde, zu betonen, dass Prodi für die Linke ja nur ein Strohmann sei. Man werde ihn nach den Wahlen rasch ins Amt des Staatspräsidenten wegloben - die Präsidentenwahlen stehen nach der siebenjährigen Amtszeit von Carlo Azeglio Ciampi ebenfalls noch vor dem Sommer an. Wie schon 1998 werde dann Massimo DAlema von den Linksdemokraten Regierungschef, warnt Berlusconi.
Ringen um den Platz auf dem Bildschirm
Besonders schmerzt ihn, dass es ihm nicht gelungen ist, das Par-Condicio-Gesetz aufzuheben, mit dem die Mitte-Linksregierung seinen Medien-Einfluss vor Wahlen begrenzt hatte. Immerhin ist es Berlusconi aber gelungen, im Ringen mit Staatspräsident Ciampi, die Auflösung des Parlaments von Ende Jänner auf den 10. Februar hinauszuschieben und sich damit einige TV-Auftritte mehr herauszuschinden. Und so verteilte er am laufenden Band via Bildschirm Zensuren an die politischen Gegner und an die Justiz, von der er sich ständig verfolgt sieht. Und weil nicht nur die italienischen Zeitungen kritische Worte für ihn finden, sondern auch die Korrespondenten renommierter internationaler Zeitungen, klagte der Regierungschef jüngst, dass die internationale Presse in Italien Journalisten haben, die "nicht gerade die besten sind".
Selbst seinen Koalitionspartnern wird das manchmal zuviel. Kammerpräsident Pierferdinando Casini etwa meinte, dass Berlusconi mit seinen Attacken auf die Justiz der Linken Wähler zutreibe. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Casini gerne anstelle von Berlusconi Premierminister wäre.
Und auch Vizepremier Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale forderte den Regierungschef offen heraus: "Ich spiele bei den Parlamentswahlen mit, um Topstürmer zu sein, Wenn meine Partei eine Stimme mehr als die Partei Berlusconis erhält, übernehme ich den Posten des Premierministers", sagte er jüngst in einer Politshow im Privatkanal "La7", der nicht zu Berlusconis Medienimperium gehört.
Die Lega Nord, der vierte Partner im Regierungsteam, gräbt im angehenden Wahlkampf wieder sezessionistische Slogans aus und schimpft auf "Roma ladrona" - das diebische Rom - wie zu Umberto Bossis besten Zeiten in den Neunzigerjahren. Arbeitsminister Robert Maroni stellte Berlusconi die Rute ins Fenster und schloss nicht aus, dass seine Partei aus dem Regierungsbündnis ausscheiden könnte. "Die Mitte-Rechts-Koalition ist für uns ein Teufel, den wir akzeptieren müssen, weil wir die föderalistische Reform über die Bühne bringen wollen", sagte der Lega-Nord-Politiker bei einem Parteitreffen in der Lombardei.
Prodi klarer Sieger in Vorwahlen
Romano Prodi muss sich zwar auch mit seinen Koalitionspartnern herumschlagen, ist aber aus den Vorwahlen der Linken Mitte Oktober 2005 mit 74 Prozent eindeutig als Listenführer für die Wahlen hervorgegangen. Um die TV-Konfrontation zwischen den beiden Spitzenkandidaten wird noch gerungen, aber Prodi machte am Dienstagabend in der Talkshow "Porta a Porta" (Von Tür zu Tür) schon klar: "Die CDL präsentiert sich als Dreizack mit Berlusconi, Fini und Casini, während ich durch Vorwahlen als Premier festgelegt wurde. Wenn es eine TV-Diskussion gibt, will ich Berlusconi, Fini und Casini gemeinsam. Sie sollen sich einigen." Prodi meint, man solle Berlusconi die Illusion lassen, die er sich selbst macht, wenn er an ein Aufholen seiner Koalition in den Umfragen glaubt.
Der Oppositionschef wirft der Regierung vor, noch nicht einmal in einem Programm geblättert zu haben, während er seines schon bereit habe. Insbesondere schlägt Prodi eine Senkung der Arbeitskosten vor, um die Wirtschaft Italiens wieder anzukurbeln.
Prodi traut man auch international zu, dass er wichtige wirtschaftliche Reformen in die Wege leitet. Ein Wahlsieg Prodis könnte sich positiv für den wirtschaftlichen Aufschwung Italiens auswirken, bewertet die internationale Ratingagentur Moody's erst am vergangenen Wochenende. Dies hänge zwar davon ab, wie stark er aus den Parlamentswahlen hervorgeht. Prodi könne aber seine Erfahrung als ehemaliger EU-Kommissionspräsident in den Dienst Italiens stellen. Der heutige Oppositionsführer habe hinsichtlich des Beitritts Italiens zum Euro-Raum eine Rolle von entscheidender Bedeutung gespielt, so Moody's.
Laut der Ratingagentur könnte sich Romano Prodi mit ausschlaggebenden Reformen wie Maßnahmen zur Stärkung der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit von Italiens industriellem System profilieren. Auch eine Steuerreform sei in Italien wichtig.
Aber nicht nur über diese Wirtschaftsexpertise konnte sich Prodi in den letzten Tagen freuen, sondern auch über einen unerwarteten politischen Zuwachs. Die Rentnerpartei, die bei den letzten Europawahlen auf 1,1 Prozent gekommen war, sagte sich von Berlusconi los und wechselte in Prodis Lager, weil die Regierung ihr Versprechen, die Mindestpensionen (551 Euro) zu erhöhen, nicht eingehalten hat.