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Der Nationalfeiertag und die Aufklärung eines Irrtums in Bezug auf das österreichische Parteiensystem.
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Der bevorstehende Nationalfeiertag kann auch Anlass sein, über unseren Umgang mit der Republik und die daraus resultierenden Folgen kritisch nachzudenken. Die Worte des Bundespräsidenten waren wohl gemeint, sollten beruhigen: Keine Staats-, sondern nur eine Regierungskrise gelte es zu bewältigen. Die Krise der österreichischen Innenpolitik von heute ist aber das Aufbrechen einer Malaise, die sich schleichend seit der Gründung der Ersten Republik aufgebaut hat: das Credo der Unabdingbarkeit der Allmacht der politischen Parteien.
Österreich, die Erste Republik, war verfassungsmäßig auf einer repräsentativ-föderalen Struktur aufgebaut worden. Erstes Ziel war das Verhindern neuer, zentraler oder gar monarchistisch-nostalgisch anmutender Strukturen. Demokratisch, mit geteilter Macht, allerdings im Fieber der Nach- beziehungsweise Vorkriegszeit wirtschaftlich nicht überlebensfähig, am Rande des Abgrunds und noch keineswegs gefestigt, führte der Weg über den Bürgerkrieg in die deutsche Besetzung, den "Anschluss" und den Zweiten Weltkrieg.
Nach 1945 sah sich das Land mit der gleichen Not aller Europäer, der Besetzung, dem Wiederaufbau und der Aufarbeitung einer schwierigen Vergangenheit konfrontiert. Die alten politischen Strukturen der Ersten Republik wurden zunächst übernommen. In diesen Zeiten der Not traten jedoch parteipolitischer Hader und Zank zurück. Zu drängend waren die Probleme, die schwierigen Lebensbedingungen. Doch ab dem Staatsvertrag, dem beginnenden Aufschwung und dem Entstehen eines kleinen Wohlstands normalisierte sich das Leben, und die beiden staatstragenden Parten ÖVP und SPÖ begannen den Staat als politisches Erbgut und ihre Rolle als allein politisch Führende zu verstehen.
"Die Partei" als Garant für viele Schritte im Leben
Vom Erkennen bis zur Umsetzung eines politischen Mechanismus der Machtteilung war es dann kein weiter Weg mehr. Viele Institutionen der Republik wurden auf Doppelgleisigkeit gestellt, der Einfluss in diesen Körperschaften durch Verfassungszusätze, Vereinbarungen, stillschweigende und ungeschriebene Abmachungen penibel geteilt und wahrgenommen. Wohl gab es Stimmen der Kritik, Ansätze zu einer Öffnung und einer "Entpolitisierung" vieler Bereiche - doch bis heute haben sich die Parteien diesen Forderungen erfolgreich entziehen können. Noch immer ist "die Partei" der Garant für viele Schritte im Leben der Menschen: vom Posten über die Wohnung, den "richtigen" Verein und den Bildungsweg bis hin zu Reisebüro und Autoklub - all das organisiert, richtet, ermöglicht "die Partei".
Von einer "Regierungskrise" sprach der Bundespräsident mit Blick auf den Abtritt des Bundeskanzlers am 9. Oktober nach den Hausdurchsuchungen auf Verlangen der WKStA und der Verkündung des Beschuldigtenstatus für ÖVP-Chef Sebastian Kurz und einige seiner engsten Mitarbeiter. Der Herr Bundespräsident irrte. Dieses Ereignis machte nur das in der Ersten Republik geborene und in der Zweiten Republik zum System entwickelte Herrschen der Parteien wieder einmal sehr bekannt. Der Kanzlerwechsel, Kronzeuge ja oder nein, Opposition empört, Unruhe im Land, Schuldzuweisungen, der Hinweis des gerade Leidenden auf ähnliches bei den anderen - all das war ein durchsichtiges Spiel auf Zeit mit dem Wunsch, dass doch alles beim Alten bleiben möge.
Verfassungsmäßige Schwachstellen
Es muss an dieser Stelle an den österreichischen Verfassungskonvent von Juni 2003 bis Jänner 2005 erinnert werden: Mit durchaus richtungsweisenden Ideen und Vorschlägen an die Öffentlichkeit tretend, wurde nur ein unverfänglicher, die allgemeine Verwaltung betreffender Teil im Nationalrat behandelt und einiges realisiert. Die Übernahme von Empfehlungen? Schon auch die Diskussion darüber wurde von den politischen Parteien abgelehnt; man sägt doch nicht den Ast ab, auf dem man sitzt.
Die Corona-Pandemie hat nun eine zweite verfassungsmäßige Schwachstelle offenbart: die extrem-föderale Ausrichtung der bundesstaatlichen Strukturen. In Normalzeiten schon schwierig genug, ist die administrative, steuerliche und zuständigkeitsmäßige Ordnung für acht Millionen Menschen auf vier Verwaltungsebenen schlicht und einfach unsinnig und in ernsthaften Krisenzeiten sogar äußerst gefährlich.
Hier sei das Schweizer System der Rolle und Bedeutung von Parteien in einer Demokratie erwähnt. Es mag nicht unbedingt als striktes Vorbild gelten, aber einige Grundprinzipien würden uns schon genügen: So sind in der Schweiz Parteien private Vereine, die politische oder andere Empfehlungen geben können - mehr nicht. Es läge an den Wählern, und vielleicht auch am Bundespräsidenten, hier etwas Nachhaltiges zu verlangen. Seitens unserer Parteien ist nichts zu erwarten.