So deutlich, wie Univ.-Prof. Dr. Ivo Schmerold von der Veterinärmedizinischen Universität Wien, hat es bisher noch selten ein Fachmann ausgesprochen: "Die unsachgemäße Anwendung von Arzneimitteln bei Tieren ist in mehrfacher Hinsicht mit ernsthaften Risken verbunden", so Schmerold in "Q/LAB/news" (Nummer 1/01), dem österreichischen Informationsmedium über Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln. Nur strenge Kontrollen, so Schmerold, würden helfen, der Illegalität Einhalt zu gebieten. Für die Landwirtschaft geht es um die Frage, inwieweit der Einsatz von Arzneimitteln bei Nutztieren gerechtfertigt ist, für den Konsumenten aber vor allem um die Frage, ab wann deren Einsatz für ihn gefährlich wird.
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Die weltweite Zunahme von Krankheiten durch Erreger, die gegen einige bis zu einer Mehrzahl der bisher eingesetzten Antibiotika resistent sind, stellt Medizin und Pharmakologie mittlerweile vor ein gigantisches Problem. Besonders brisant ist die Situation für Krankenhäuser und hier vor allem für die Intensivstationen, in denen immer öfter multiresistente, also sehr schwer bis kaum behandelbare Bakterienstämme registriert werden. Wobei Hygienemängel oft, aber nicht immer und allein dafür verantwortlich sind.
Österreich gilt auch diesbezüglich - bedingt - noch als "Insel der Seligen", da bisher nur sehr vereinzelt Fälle multirestistenter Erreger dokumentiert wurden, aber auch, weil einige Krankenhäuser ihre diesbezüglichen Probleme naturgemäß nicht gerne "an die große Glocke hängen". Inwieweit hier entsprechende Daten gewichtet werden können, bleibt daher eher Ansichtssache.
Und auch hierzulande gibt es bereits Einbrüche wie etwa beim Erythromycin mit einer Erregerresistenz von bis zu 24 Prozent oder der Breitband-Antibiotikagruppe der Tetrazykline, über die Dr. Dieter W. Rossboth (Institut für Med. Mikrobiologie, Univ. Bern) im Jahrbuch 2000 von "Infektiologie" festhält: "Insgesamt ist die Resistenz gegen Tetrazykline durch die intensive Verwendung dieser Substanzen in der Tiermast ... weit verbreitet, vor allem bei Enterobakterien."
In der Tat: Seit ein US-Pharmakonzern ab 1946 Rückstände aus seiner Tetrazyklinproduktion an Hühner verfütterte, wodurch diese infolge besserer Futterverwertung rascher an Gewicht zunahmen, zeitigte dieser - bis heute nur unvollständig aufgeklärte - Nebeneffekt enorme Folgen: Rund 5000 Tonnen antimikrobieller Wirkstoffe werden, so die "Q/LAB/news", jährlich (offensichtlich offiziell und legal) in der Tiermedizin und als Leistungsförderer eingesetzt, davon etwa 80 Prozent für Nutztiere.
Ivo Schmerold, Fachtierarzt für Pharmakologie und Toxikologie der Vet. Med. Wien, bezeichnet Antibiotika in der Tierhaltung als Leistungsförderer als absolut unnötig. Aber: Gibt es zwischen ihnen und den mikrobiellen Resistenzen wirklich einen etwa für den Konsumenten relevanten oder gar gefährlichen Konnex? - Eine einhellige Meinung der Experten dazu gibt es nicht, aber wenigstens einige erhellende Zahlen und Fakten.
Resistenzen in Massen
So sieht etwa Univ.-Prof. Dr. Fritz Ungemach (Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie der Veterinärmedizischen Fakultät der Uni Leipzig), durch die "Massenbehandlungen" in der gegeben Form der Tierhaltung ein besonders hohes Risiko der Resistenzselektion, "weil hierbei eine Vielzahl von Tieren häufig längerfristig zu niedrigen Wirkstoffkonzentrationen ausgesetzt sind". Was möglicherweise auf Menschen rückwirkt.
Ein wichtiger Parameter dafür ist die Wirksamkeit von Vancomycin, bis vor Kurzem "das Antibiotikum schlechthin", wenn alle anderen versagten. Doch schon 1986 wurden erstmals resistente Enterokokken auch gegen diese Substanz in Europa isoliert und mittlerweile sind Vancomycin-resistente Enterokokken (VER) in vielen US-Krankenhäusern ein enormes Problem geworden.
Dr. Agnes Wechsler-Fördös, Oberärztin im Hygieneteam der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien, hält dazu (ebenfalls im Jahrbuch "Infektiologie" 2000) fest: "In Europa wurden VER vorwiegend außerhalb des Krankenhauses nachgewiesen. Die Hauptquelle dürfte kontaminiertes Fleisch darstellen." Diese Hypothese werde auch von anderen Untersuchungen gestützt, denen zufolge bei Vegetariern keine VER nachgewiesen werden konnten. Und:
Antibiotika in Mengen
"Begünstigend für die hohe Prävalenz von VER in der Tierzucht in Europa dürfte die Verwendung des Glykopeptids Avoparcin als Leistungsförderer sein... Bemerkenswert ist die Relation von Avoparcin und Glykopeptid-Verwendung: ...In Österreich wurden von 1992 - 1996 582 kg Vancomycin in der Humanmedizin verwendet, und im gleichen Zeitraum 62.642 kg Avoparcin in der Tierzucht!"
Dass VER in den USA fast ausschließlich bei Patienten während oder nach einem Krankenhausaufenthalt nachweisbar sind, sei, so die Expertin, dadurch erklärbar, dass, anders als in Europa, Avoparcin in den USA in der Tierzucht niemals zugelassen war.
Mittlerweile sind in der EU nur noch vier Antibiotika als "Futtermittelzusatz" erlaubt (was zu einem deutlichen VER-Rückgang in Europa geführt hat) und auch diese sollen bald der Vergangenheit angehören. Doch die Konsumenten können freilich nur die eingangs zitierten Kontrollen vor illegalen Anwendungen schützen.