Milder Verlauf der Schweinegrippe war schlicht Glück. | Antibiotika immer weniger wirksam. | Wien. Allein in den EU-Ländern erkranken pro Jahr zwischen 25 und 50 Millionen Menschen an einer saisonalen Grippe, was zu mindestens 40.000, in manchen Jahren aber bis zu 200.000 Todesfällen führt. Zunehmend gefährlich sind Tuberkulose-Infektionen, an denen in der Region Europa pro Stunde sieben Menschen sterben. 2,3 Millionen Europäer sind Träger des HI-Virus und damit akut Aids-gefährdet. Derartige Zahlen kamen beim 20. Europäischen Infektionskongress (ECCMID) mit rund 8000 Teilnehmern zur Sprache, der heute, Dienstag, in Wien zu Ende geht.
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Hauptthemen des Kongresses waren die Schweinegrippe H1N1 und der Wirkungsverlust von Antibiotika. Dabei rechnet man, dass 20 bis 30 Prozent der Infektionen durch Hygiene wie Händewaschen vermieden werden könnten.
Das europäische Netzwerk zur Überwachung auf resistente Keime mit rund 900 Labors in 33 Staaten legte Besorgnis erregende Zahlen vor: 2008 berichteten nur noch vier der 33 Staaten von einer Häufigkeit von resistenten Escherichia (E.) coli-Bakterien gegen die oft verwendeten Fluorchinolone von unter zehn Prozent. 30 Prozent der beobachteten Länder wiesen bereits Resistenzen in einer Häufigkeit von 25 bis 50 Prozent auf, in der Türkei waren es mehr als 50 Prozent. In 19 Staaten stieg der Anteil der gegen die Antibiotika unempfindlichen E. coli-Bakterien - die häufigste Ursache von bakteriellen Darmerkrankungen - binnen vier Jahren rasant an. In der Türkei stieg zwischen 2003 und 2008 der Anteil der gegen Penicillin resistenten Pneumokokken bei schweren Infektionen mit Gehirnhautentzündung et cetera von 7,7 auf 57,1 Prozent.
Vogelgrippe nicht vorbei
In der Bekämpfung der Schweinegrippe war man zu langsam bei der Produktion und Zulassung eines Impfstoffs, meinte der niederländische Forscher Albert Osterhaus in Wien. Es sei pures Glück gewesen, dass die Erreger der H1N1-Pandemie weniger gefährlich als die Vogelgrippe-Viren (H5N1) waren. Osterhaus betonte, dass es auch bei dieser relativ milden Grippe sehr schwere Fälle und Todesfälle gegeben habe und man nicht nachlässig werden dürfe: "Die Vogelgrippe ist nicht vorbei. Es gibt Erkrankungen und Todesfälle in Indonesien, wir haben sie in Ägypten - und bei Vögeln zum Beispiel in Bulgarien."
Impfungen gelten als empfehlenswert: Bei Pneumokokken - hier sind fast in ganz Europa, noch nicht aber in Österreich, generelle Impfkampagnen bei Kleinkindern üblich - zeigt die Immunisierung neben der Verhinderung von Krankheiten noch andere positive Effekte: In Frankreich ging in Regionen, in denen die Kinder durchgeimpft wurden, die Häufigkeit von Bakterien mit verringertem Ansprechen auf Penicillin von 63 auf 42 Prozent (von 1999 bis 2008) zurück. Außerdem wurde deutlich weniger Penicillin verbraucht.
Infizieren kann man sich, wie ein Vortrag zeigte, leicht und simpel: Neun Schweizerinnen wurde die von einem Tattoo-Künstler verwendete - mit Mycobacterium haemophilum kontaminierte - Farbe für ein permanentes Augenbrauen-Make-Up zum Verhängnis.