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Beim ersten Staatsbesuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Deutschland wurden neben Wirtschaftsfragen auch die Menschenrechte angesprochen.
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Beijing/Berlin. Händereiben verursacht normalerweise kein lautes Geräusch. Im Vorfeld des ersten Staatsbesuchs von Xi Jinping in Deutschland konnte man es jedoch bereits hören, bevor der chinesische Präsident überhaupt in Berlin gelandet war. Schließlich hatten die Kassen schon in Frankreich geklingelt, als Xi dort 50 Vereinbarungen mit einem Gesamtvolumen von 18 Milliarden Euro unterschrieb. Was wäre dann erst in Deutschland möglich, dem erklärten Lieblingspartner und Hauptziel chinesischer Wirtschaftsinteressen in Europa? Laut dem Präsidenten natürlich nur Historisches: "An diesen Staatsbesuch knüpfe ich die Erwartung, eine wegweisende Blaupause für das zukünftige chinesisch-deutsche Verhältnis zusammen mit führenden Politikern zu zeichnen", sprach er zur Begrüßung. Ungefähr dasselbe hatte er am Donnerstag in Paris gesagt. Touché!
Allerdings wurden beim ersten Staatsbesuch eines chinesischen Präsidenten in Deutschland seit acht Jahren nicht nur diplomatische Floskeln ausgetauscht. "Wir werden uns in Europa dafür einsetzen, dass es ein Investitionsabkommen gibt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten. Deutschland wolle als Lokomotive für die Annäherung zwischen EU und China agieren, versicherte sie.
China ist der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik in Asien und der drittgrößte weltweit, rund eine Million Arbeitsplätze hängen in Deutschland an den Exporten nach China. Eine mehr als hundert Personen starke Wirtschaftsdelegation ist deshalb mitgereist, um Vereinbarungen unter anderem mit Siemens, Bayer, der Deutschen Börse und den Autobauern zu unterzeichnen. Für diese ist China der mit Abstand wichtigste Markt, VW verkauft hier mit deutlich höheren Gewinnspannen als anderswo schon jedes vierte seiner Autos. Besonders gefragt ist deutsches Know-how vor allem auch im Bereich der Umwelttechnik - immerhin hat Premier Li Keqiang der Umweltverschmutzung vor kurzem den "Krieg" erklärt. In Bereichen wie Elektromobilität oder Gebäudedämmung hat China Aufholbedarf, ein Berliner Recyclingunternehmen konnte sich beispielsweise über einen sechs Milliarden Euro schweren Auftrag freuen: Es soll im südchinesischen Guangdong eine Anlage zur Herstellung "Grüner Kohle" für Wärme- und Stromerzeugung aus Siedlungsmüll errichten.
Doch das Drehbuch für die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte war durch die jüngsten politischen Entwicklungen gehörig durcheinandergewirbelt worden. Bundespräsident Joachim Gauck und Merkel kamen nicht umhin, den Gast aus Fernost auf die Krim-Krise anzusprechen. Berlin hatte zuletzt gehofft, China auf die Seite des Westens zu ziehen, denn immerhin gibt Peking seinem Bündnispartner Russland keine volle Rückendeckung.
Vermittler gegenüber Russland
Bei einer Abstimmung in der Vollversammlung der UN über eine Verurteilung der jüngsten Entwicklungen auf der Krim enthielt sich China der Stimme - zum zweiten Mal bereits. Peking lehnt zwar Sanktionen jeder Art kategorisch ab, bietet sich jedoch als Vermittler an und Deutschland drängt Xi darauf, eine aktivere Rolle bei der Bewältigung der Krise zu übernehmen.
Darüber hinaus mahnte Gauck bei seinem Treffen mit Xi Jinping auch Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit ein und erinnerte an die weltweite Gültigkeit der Menschenrechte. Ein heikler Punkt - denn seit dem Amtsantritt der neuen Führung registrieren Menschenrechtsorganisationen einen signifikanten Anstieg an Verhaftungen von Bürgerrechtlern und liberalen Bloggern, außerdem wurden seit März 2013 zahlreiche Akademiker und Journalisten mundtot gemacht. In einem Kommentar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat Xi Jinping bereits im Vorfeld klargemacht, was er von solchen Einwürfen hält: nichts.
Konkret heißt das bei Xi: "Lasst uns die vom Volk der anderen Seite gewählte Grundordnung und seinen Entwicklungsweg verstehen und respektieren, lasst uns Rücksicht nehmen auf die gegenseitigen Kerninteressen und entscheidenden Anliegen." Eine interessante Lesart, denn zumindest bei den letzten Wahlen in Deutschland wurde Merkel noch nicht von der Kommunistischen Partei Chinas gewählt. Inwiefern diese ihren Partner in Europa respektiert, wird sich in Frankfurt zeigen, das zu einem Handelsplatz für die chinesische Währung werden soll. Die Stadt empfängt demnächst den Dalai Lama. Nicht auszuschließen, dass sich in diesem Fall noch ein anderer Bewerber die Hände reibt.