Zum Hauptinhalt springen

Restitution ohne Grobschlächtigkeit

Von Andreas Nödl

Analysen

Mit Fragen zum Thema Restitution ist sorgfältig umzugehen. Nur eine an historischen Ereignissen und Tatsachen orientierte, mit Sachlichkeit geführte Diskussion kann weiterhelfen. Leider wird bisweilen übers Ziel geschossen: Dazu gehört insbesondere die - rechtsgrundlose - Forderung der Schließung des Leopold-Museums seitens Ariel Muzicant; Bundesministerin Schmied erteilte zu diesem Thema eine klare Absage.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das Leopold-Museum betreffend sind die Provenienzen in allen Fällen ähnlich gelagert: Rudolf Leopold erwirbt zivilrechtlich einwandfrei Eigentum und überträgt dieses 1994 der "Leopold-Museum-Privatstiftung"; sie ist daher heute rechtmäßiger Eigentümer der Werke und hält sie für die Öffentlichkeit zugänglich. Weder die Kunstwerke noch die "Leopold-Museum-Privatstiftung" stehen im Eigentum des Bundes. Daran ändern auch förderungsrechtliche Bestimmungen oder Bestellungsrechte des Bundes zum Vorstand nichts.

Das Kunstrückgabegesetz 1998 ist ein Bundesgesetz, das nur auf Bundesmuseen Anwendung findet, nicht aber auf die "Leopold-Museum-Privatstiftung" oder sonstige Private. Es gibt daher keine Rechtsgrundlage für Restitutionsforderungen gegenüber der "Leopold-Museum-Privatstiftung". Mit diesem Befund ist man auf gesichertem Boden. Dem Eigentumserwerb aufgrund österreichischer, zivilrechtlicher Bestimmungen liegen - im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Rechtsbereich - die in Kontinentaleuropa rezipierten römisch-rechtlichen Regeln zugrunde (zum Beispiel geht auch dann Eigentum über, wenn der Erwerber den Veräußerer für den Eigentümer halten konnte). Wäre der Eigentumserwerb Leopolds und in weiterer Folge der "Leopold-Museum-Privatstiftung" nicht rechtmäßig erfolgt, hätte es längst Eigentumsklagen Betroffener gegeben und würde Erbenvertreter Rechtsanwalt Noll in einem Interview mit der "Presse" nicht mit der Überlegung beginnen, "ob es nicht einen Rechtsanspruch der Erben geben soll". Nicht anders war es im Übrigen zu verstehen, dass der Bund für seine Museen das Kunstrückgabegesetz 1998 erlassen und erst damit eine Ermächtigung für eine Rückgabe geschaffen hat.

Unzulässige Enteignung

Die "Leopold-Museum-Privatstiftung" und weitere Private (gemeint sind alle Sammlungen, seien sie öffentlich zugängig, institutionalisiert oder nicht) dem Kunstrückgabegesetz 1998 zu unterstellen, würde eine Verpflichtung mit komplexen verfassungsrechtlichen Problemstellungen bedeuten; damit verbunden wäre vor allem eine nicht zulässige, entschädigungslose Enteignung ohne Verfahren gemäß Art. 6 EMRK (Stichwort: fair trial). Dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung geben soll, vor allem vor dem Hintergrund der Rückstellungsgesetzgebung der Nachkriegsjahre, ist zu verneinen. Oder ist es rechtlich geboten, dass es eine zweite Chance geben muss?

Keinesfalls kann es angehen, dass eine Lex Leopold versucht wird und dabei der verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsschutz links liegen bleibt. In diese Richtung will offenbar Noll gehen, wenn er sagt: "Verfassungswidrige Gesetze macht (der Gesetzgeber) sonst auch." Zum Verfassungsbruch kann es nur eine klare Absage geben, will der Rechtsstaat nicht ernsten Schaden nehmen!

Der massive Druck auf den Bund, mit Anlassgesetz den zivilrechtlich einwandfreien Eigentumserwerb der "Leopold-Museum-Privatstiftung" ungeschehen zu machen, kann einer sachgerechten Lösung nicht förderlich sein; dazu erwarte ich eine klare Linie des Gesetzgebers.

Ich sagte schon, dass Restitution eine hochsensible Materie ist, die Fingerspitzengefühl erfordert. Grobschlächtigkeit hat bei diesem Thema tatsächlich keinen Platz.