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"Restriktionen, als Wahlfreiheit verkauft"

Von Martyna Czarnowska

Politik

Es betrifft nicht nur Frauen: Geschlechterpolitik ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der auch Männer umfasst. Das war die Ausgangsüberlegung bei der Tagung zu Managing E-Quality, die im Wappensaal des Rathauses über die Bühne ging. Die Frage, die am international besetzten Podium zur Diskussion stand, lautete: "Gleichstellung, quo vadis?"


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Die Überzeugung war die: Geschlechterdemokratie heißt, einen Ausgleich zwischen der Ungleichgewichtung zu schaffen. Ilse König, Initiatorin von Managing E-Quality, erzählt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" von den Anfängen der Arbeit an Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

"Die Organisationsstrukturen müssen beleuchtet werden - wo sind da die Barrieren für Frauen", erklärt König. Individuelle Maßnahmen seien zwar begrüßenswert, doch die Initiativen zur Gleichstellung müssen von oben nach unten - "top down" - unterstützt werden. Im Rahmen des Aktionsprogramms der Gemeinschaft für die Chancengleichheit von Frauen und Männern wurden Ideen auf Führungsebene entwickelt: aus Quality Management wurde Managing E-Quality (MEQ).

Mittlerweile wird das 1997 entwickelte MEQ-Konzept in Deutschland, Großbritannien oder Ungarn angewandt. In Österreich läuft derzeit ein Pilotprojekt, auf das die Leiterin des Forschungs- und Beratungsinstituts GenderLink, Erika Pircher, mit Stolz verweist. "Teilzeit für Führungskräfte" heißen die Maßnahmen, die für das Arbeitsmarktservice erarbeitet werden.

Im Rahmen des Seminars sollen die Angestellten einerseits sensibilisiert werden für das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Andererseits sollen durch eine Betriebsdiagnose eventuelle Lücken geortet werden. Langfristiges Ziel ist die Festschreibung derartiger Regelungen, z.B. in Form von Betriebsvereinbarungen.

"Teilzeit für Führungskräfte ist eigentlich Tabu", meint Pircher gegenüber der "Wiener Zeitung". Doch sie bedeute nicht Abbau sondern Teilung. Wenn mehr Männer in Führungspositionen in Teilzeit gehen, wird dadurch eventuell Platz für andere gemacht - Stellen, die mit Frauen besetzt werden könnten. Die männlichen Führungskräfte könnten sich ja dann mehr ihrer Familie widmen.

Vereinbarkeit auf beiden Seiten: Das war das Thema, um das sich bei der internationalen Tagung vergangenen Dienstag alles drehte.

Der Untertitel "Wirtschaftsethik und die Zukunft der Gleichstellungs- und Vereinbarkeitspolitik am Beginn des 21. Jahrhunderts" steckte den Rahmen ab, innerhalb dessen die Referentinnen und Referenten ihre Beiträge präsentierten.

So unterschiedlich die einzelnen Referate auch waren - sie reichten von Länderberichten zu Managing E-Quality über das Thema "Vereinbarkeit für berufstätige Väter" bis hin zu "Biographischen Übergängen vom "Realen Sozialismus" zur Marktwirtschaft" -, so waren sich die Rednerinnen und Redner in einem Punkt ziemlich einig: Die Vereinbarkeitsdiskussion sollte nicht einseitig geführt werden. Sie betrifft nämlich nicht nur Frauen, sondern auch Männer, von denen sich allerdings nur wenige im Wappensaal des Rathauses eingefunden hatten.

Trotzdem seien auch Männer daran interessiert, etwas an den festgeschriebenen Strukturen zu ändern, gab sich etwa Werner Sauerborn überzeugt, Sekretär der deutschen Gewerkschaft Öffentlicher Transport und Verkehr sowie Herausgeber von "PaPS - Zeitschrift für Väter". Doch die Einstellungsänderung habe noch nicht zu einer Verhaltensänderung geführt. Daher müsse auch die Frage nach den gesellschaftlichen Strukturen, die Rollenbilder verfestigen, gestellt werden.

Eine Wertediskussion folgte jedoch nicht, auch wenn der Titel des abschließenden Streitgesprächs lautete: "Vereinbarkeit am Scheideweg? Familienwertediskussion und Beschäftigungspolitik am Anfang des 21. Jahrhunderts". Denn schon bald drehten sich die Beiträge aus dem Publikum rund um das Kinderbetreuungsgeld.

Doch die Ausgangsfrage war eine differenziertere: Wie lässt sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie umsetzen, ohne dass die Gleichstellung auf der Strecke bleibt, stellte Moderatorin Lydia Ninz in den Raum. Neben Sauerborn machten sich auf dem Podium Elisa Streuli von dem schweizerischen Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien BASS sowie Helmuth Schattovits vom Österreichischen Institut für Familienforschung darüber Gedanken.

Betreuungsgeld lieferte Stoff für heftige Debatten

Schattovits lieferte Zahlen: laut Untersuchungen zu Lebenskonzepten wollen rund 25 Prozent der Frauen gleich nach der Karenzzeit wieder in den Beruf einsteigen. Etwa gleich viele wollen damit bis zum Schuleintrittsalter des jüngsten Kindes warten. Und 50 Prozent wünschen sich flexible Arrangements. Bei Männern hingegen findet sich diese Vielfalt an Vorstellungen nicht. Es gehe nun darum, diese Wünsche zu berücksichtigen und auch den Arbeitgebern klarzumachen, dass ihnen betriebswirtschaftliche Vorteile entwachsen, wenn sie diese sozialpolitische Verantwortung mittragen. Staatliche Unterstützung wäre in dieser Hinsicht mittels Betreuungsscheck möglich, dessen Einführung er schon vor Jahren vorgeschlagen habe.

Gegen den Einwand aus dem Publikum, dass der Scheck eine billige Möglichkeit darstelle, wieder verstärkt Frauen für die Kindererziehung verantwortlich zu machen, wehrte sich Schattovits. "Das ist Propaganda" stellte er fest. Er vermute sogar, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen steigen würde, sobald die Bereitschaft der Unternehmen da sei.

Bedenken kamen auch aus den Reihen der Arbeiterkammer im Publikum: Durch die massive Bewerbung des Betreuungsschecks könnte die steigende Akzeptanz für alternative Ansätze wie die Teilzeitkarenz zerstört werden, lautete die Befürchtung. Dabei ist es eine zielführende Möglichkeit, die berufliche Tätigkeit mit Kindererziehung zu vereinbaren, wenn beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren.

Von derartigen Diskussionen ist in der Schweiz noch kaum die Rede, berichtete Elisa Streuli. In dem Land, in dem erst 1971 das Stimmrecht für Frauen auf eidgenössischer Ebene eingeführt wurde, sei das Alleinernährerkonzept noch sehr mächtig. Es gebe auch keine Mutterschaftsversicherung - der Karenz entsprechend - und durch die Gemeinschaftsversteuerung ist ein doppeltes Einkommen steuerlich mehr belastet als ein höheres Einkommen eines Partners. Es existiere zwar die Möglichkeit die Arbeitszeit (im Schnitt eine 42-Stunden-Woche) zu reduzieren, aber der Handlungsspielraum wird selten genutzt. "Die Väter, die jeden zweiten Freitag mit ihren Kindern verbringen und in den Zoo gehen, werden dann vor die Medien gezerrt", veranschaulichte Streuli.

Doch auch in Österreich scheine das "Phasenmodell" zu überwiegen, ortete Sauerborn. Bis zum Alter von etwa drei Jahren sollte demnach das Kind zu Hause sein, erklärte er, während in angelsächsischen Ländern eher das "Parallelitätsmodell" umgesetzt werde, nach dem die Erziehung schon früh auch von anderen Institutionen übernommen werde.

Die Entscheidung: Kinder oder Beruf sollte sich jedoch nicht stellen, fügte Streuli hinzu. "Was uns als Wahlfreiheit verkauft wird, sind geschlechtsspezifische Restriktionen, unter denen wir weiter leiden", erklärte sie. Daher brauche es Ideen für die Vereinbarkeit für Väter. Denn Gleichstellung betrifft beide Geschlechter.