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Höhere Zinssätze in reichen Ländern erhöhen die Zinsen in ärmeren Ländern.
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Eine Krise kommt selten allein. Die Weltwirtschaft und somit auch die österreichische Ökonomie musste seit 2020 allerlei Rückschläge einstecken. Im ersten Pandemiejahr schrumpfte unsere Wirtschaft um 6,7 Prozent - fast doppelt so stark wie in der Weltfinanzkrise 2009. Der Aufschwung danach brachte der Industrie zwei gute Jahre. Die Dienstleistungen, vor allem der Tourismus, sind aber noch nicht auf ihr Vorkrisenniveau zurückgekehrt - die Nächtigungen in der Sommersaison 2022 lagen immer noch fünf Prozent unter den Zahlen aus 2019.
Der Boom, der durch die Aufhebung der Pandemiebeschränkungen in Europa und den USA ausgelöst worden war, flaute schon Anfang 2022 wieder ab. Gleichzeitig trieben die Konjunkturprogramme und die durch die plötzliche Nachfrageerholung verursachten Unterbrechungen der Versorgungskette die Inflation in die Höhe. Bis Ende Oktober wurden 47 Milliarden Euro an Hilfen ausbezahlt - verglichen mit den 290 Milliarden, die ÖsterreicherInnen jährlich verkonsumieren, ist das ein spürbarer Schock. China öffnete sich erst Ende 2022, und das Angebot konnte nicht mit der Nachfrage mithalten: Die chinesische Null-Covid-Politik behinderte das Wachstum sowohl im eigenen Land als auch weltweit und sorgte für höhere Preise. Ob die relativ unvorbereitete Öffnung auf Kosten der Gesundheit der chinesischen Bevölkerung nun die richtige Reaktion ist, muss hingegen auch bezweifelt werden.
Der sprunghafte Anstieg der Energiepreise nach dem Angriff Russlands sorgte für einen weiteren Inflationsschub, während die Zentralbanken noch mit der Bekämpfung der letzten Inflation beschäftigt waren. Die Regierungen der reichen Länder gaben weitere Milliarden aus, um Haushalte und Unternehmen vor gestiegenen Preisen zu schützen. Das befeuert erneut die Staatsverschuldungen und die Inflation. Hinzu kommt, dass Russland und die Ukraine als wichtige Lebensmittelproduzenten ausfallen. Höhere Zinssätze in den reichen Ländern treiben die Zinsen in ärmeren Ländern in die Höhe - ausgerechnet dort, wo die Not wegen höherer Lebensmittelpreise sowieso schon am größten ist. All das kann zu weiteren Krisen und Hungersnöten führen.
Im kommenden Jahr wird sich die Weltwirtschaft nur schwer erholen. Sie wird zwischen ein und zwei Prozent wachsen; in den vergangenen Jahrzehnten waren es bis zu vier Prozent. Für Europa bedeutet das: Stagflation, also Inflation und Unterbeschäftigung bei gleichzeitig stagnierendem Wachstum um die Nulllinie herum - oder, wie im Falle Deutschlands sogar darunter. Der Verlust unserer Wettbewerbsfähigkeit wegen der hohen Energiepreise bedroht unser Wachstum nicht mehr nur temporär.
Die Wettbewerbsposition Österreichs sank bereits im dritten Quartal 2022: Unsere Exporte und Investitionen sind rückläufig, die reale Arbeitsproduktivität noch stabil. Österreich rutschte von Platz 12 auf Platz 17 unter den 30 europäischen Wirtschaften. Für 2023 ist zu erwarten, dass sich alle drei Indikatoren abschwächen werden. 2023 wird turbulent werden und es wird darauf ankommen, dass wir den Pfad in Richtung Wachstum nicht völlig aus den Augen verlieren.
So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.