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Retten, was noch zu retten ist

Von Walter Hämmerle

Politik

Die Grünen legen Gutachten zur Ausweitung der direkten Demokratie auf Landes- und Gemeindeebene vor.


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Wien. Angenommen, der Nationalrat würde ein unpopuläres und womöglich noch dazu ein hochemotionales Gesetz beschließen. Grünes Licht zum Beispiel für TTIP, dieses hierzulande maximal unbeliebte Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Dann wäre es natürlich toll, wenn die Bürger doch noch die Handbremse ziehen und das Gesetz per Vetoreferendum zu Fall bringen könnten.

In den Niederlanden ist das seit Jahresbeginn möglich. Hier reicht die Unterstützung von 2,5 Prozent der Wahlberechtigten - auf Österreich umgelegt wären das 160.000 Unterschriften -, um über bereits vom Parlament verabschiedete Gesetze oder internationale Verträge abzustimmen. Damit das Votum Gültigkeit besitzt, müssen zumindest 30 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen.

160.000 Unterschriften, 30 Prozent Beteiligungsquote: Man braucht nicht viel Fantasie, um den Reiz dieser direktdemokratischen Möglichkeiten für eine gute geölte Kampagnemaschinerie zu erkennen. Und was TTIP für die Grünen und andere Globalisierungskritiker ist, könnten schärfere Asylbestimmungen für rechte Populisten sein.

Österreicher sindkeine Niederländer

Nun ist es zwar so, dass nicht einmal in den Niederlanden die Bürger über die Staatsform, die Verfassung und das Budget abstimmen, aber über so ziemlich alles andere sehr wohl. Inklusive Steuern und EU-Verträge.

In Österreich wurde ein recht ähnliches Vorhaben - also eine automatische Volksabstimmung über erfolgreiche Volksbegehren - im Herbst mit dem Endbericht der Enquetekommission zur Demokratiereform von SPÖ und ÖVP recht formlos zu Grabe getragen. Nicht einmal die Durchführung einer nicht-bindenden Volksbefragung war nunmehr möglich. Sehr zum Verdruss von FPÖ, Grünen, Neos, Team Stronach und der zu den Beratungen eingeladenen acht Bürgern.

Nun versuchen die Grünen in Form von Verfassungssprecherin Daniela Musiol, den beiden Regierungsparteien zumindest eine "Minimalvariante" abzuringen. Zu diesem Zweck haben sie ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Franz Merli (Universität Wien) beauftragt, um den verfassungsrechtlichen Spielraum bei noch offenen Fragen zu klären.

Im Kern geht es in dem Gutachten um drei offene Fragen:

Können die Länder aufgrund der geltenden Bundesverfassung das Vetoreferendum auf Landes- und Gemeindeebene einführen?

Sind Landesgesetze für verbindliche Volksabstimmungen in den Gemeinden verfassungskonform?

Welchen Spielraum gibt es, Nichtwahlberechtigten den Zugang zu direkt-demokratischen Instrumenten jenseits der Volksabstimmungen zu eröffnen?

Staatsrechtler Merli kommt dabei zu dem Schluss, dass die bereits vorgesehenen Regelungen über Vetoreferenden auf Landesebene im Burgenland, in Niederösterreich, der Steiermark, Tirol und Vorarlberg verfassungskonform sind. Für die Einführung in anderen Bundesländern erkennt er auch keine bundesverfassungsrechtlichen Schranken. Auf Gemeindeebene seien Vetoreferenden ebenfalls zulässig.

Bei der Frage, ob Landesgesetze für verbindliche Volksabstimmungen in den Gemeinden verfassungskonform sind, verweist Merli auf bestehende Regelungen in Vorarlberg und der Steiermark. Gemeindebürger können anstelle des Gemeinderats entscheiden, etwa einen Verordnungsentwurf vorschlagen und darüber eine Volksabstimmung verlangen. Diese sei so verbindlich wie ein Gemeinderatsbeschluss.

Die grüne Verfassungssprecherin Musiol zieht daraus den Schluss, dass es für die angedachte Ausweitung der direktdemokratischen Instrumente auf Landes- und Gemeindeebene keine Änderung der Bundesverfassung benötige. Musiol: "Eine Änderung der Bundesverfassung bringt nur dann einen echten Mehrwert für die Länder, wenn auch die Volksgesetzgebung für Landesmaterien ermöglicht wird."

Was nun die Einbeziehung von Nicht-Staatsbürgern angeht, so geht die Bundesverfassung grundsätzlich davon aus, dass Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen das Stimmrecht an die Wahlberechtigung knüpft, wodurch nur österreichische Staatsbürger zugelassen sind. Für Merli ist die Gleichsetzung von Unterstützungs- und Wahlrecht bei unverbindlich direktdemokratischen Instrumenten wie Volksbefragung und Volksbegehren aber verfassungsrechtlich nicht zwingend. Es wäre daher möglich, das Stimm- und Wahlrecht zu entkoppeln, wodurch keine Gesamtänderung und damit Volksabstimmung nötig wäre.