Zum Hauptinhalt springen

Revierschutz im US-Kongress

Von David Ignatius

Gastkommentare

Statt die Reformvorgaben der 9/11-Kommission für die US-Geheimdienste umzusetzen, achtet der US-Kongress penibel darauf, dass alles beim Alten bleibt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Da die USA diese Woche Bilanz über ihre Terrorabwehrpolitik ziehen, ist es nützlich, sich zwei Hauptempfehlungen des Berichts der Kommission zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 genauer anzusehen. Die erste Empfehlung, wonach ein neuer Director of National Intelligence (DNI) eingesetzt werden soll, um die 17 Agenturen des US-Geheimdienstes zu koordinieren, zeitigt endlich Fortschritte. Der zweite Vorschlag der Kommission, der dem US-Kongress nahelegt, seine eigenen Verfahren der Geheimdienstaufsicht zu reformieren, ist hingegen leider ins Leere gegangen. Es sieht ganz so aus, als würden die Kongress-Mitglieder auch dann an kleinlicher Politik festhalten, wenn es um Reformen im Namen der 9/11-Opfer geht.

Davon wird noch die Rede sein. Zuerst aber ein Blick auf das, was James Clapper als vierter DNI bisher geleistet hat. Dieser Posten hat schon zu viele Gefechte provoziert. Zum Beispiel den Rauswurf von Clappers Vorgänger Dennis Blair, nachdem dieser den damaligen CIA-Chef Leon Panetta herausgefordert hatte. Clapper, ein spitzbärtiger, witziger Geheimdienstveteran um die 70, hat kein Interesse, sich mit der CIA anzulegen. Er hat zwei Pentagon-Geheimdienste geleitet und sieht den Job als Koordinierungsaufgabe. Wie sein Mentor, der scheidende Verteidigungsminister Robert Gates, sagt er angesichts bürokratischer Hindernisse gern: "Ich bin zu alt dafür."

Anfangs verpfuschte Clapper einige Medienauftritte - wenig überraschend für jemanden, der bisher nie im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stand. Gute Kritiken bekam er aber aus dem Weißen Haus. Er polierte das morgendliche Geheimdienst-Briefing für Präsident Barack Obama auf - es sollte mehr sein als nur ein Aufwärmen des schriftlichen "President’s Daily Brief".

Aber noch wichtiger als das: Clapper packte das eigentliche Problem an, für das der Posten des DNI geschaffen wurde - den in der Geheimdienst-Community sich ausbreitenden Morast. Begonnen hat er mit den Aufräumarbeiten im eigenen Laden, der für ihn zu einer Art Weihnachtsbaum geworden war, auf den die anderen Geheimdienste und der Kongress alles Mögliche hängten. Wie Gates im Verteidigungsministerium, zeigte auch Clapper, dass er in der Tat bereit ist, Programme abzuwürgen und Mitarbeiter zu ersetzen.

Das Herzstück von Clappers Integrationsarbeit ist ein neues Team von National-Intelligence-Managern, die sich um das Einsammeln und Analysieren des Materials der 17 "Subject Areas" kümmern. Vorbild für diese Art von Fusion ist das Joint Special Operations Command, das zum Beispiel um Mitternacht einen Angriff durchführt und das Geheimdienstmaterial schnell genug auswertet und analysiert, um einen weiteren Angriff im Morgengrauen durchführen zu können. Clapper wünscht sich diese Art von Agilität für den gesamten Geheimdienst.

Vergleichen Sie nun Clappers Integrationsvorstoß mit der Weigerung des Kongresses, dasselbe - wie von der 9/11-Kommission empfohlen - mit der Geheimdienstaufsicht zu tun. Die Geheimdienstkomitees von Senat und Repräsentantenhaus bleiben getrennt. Schlimmer noch: Die Geheimdienstbudgets bleiben weiterhin versteckt in den Budgets des Verteidigungsministeriums, des Finanzministeriums, des Außenministeriums und anderer Ministerien. Der Kongress hält am alten System fest, um sein angestammtes Revier zu schützen. Angesichts des bereits zehnten Jahrestags der Terroranschläge vom 11. September 2011 ist das ein Skandal.

Übersetzung: Redaktion

Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".