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Der tschechische Staatspräsident Václav Klaus verweigert auch nach dem positiven irischen Referendum die Ratifikation des Vertrages von Lissabon.
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Wie angekündigt unterzeichnete der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski nach langem Zögern am 10. Oktober die Ratifikationsurkunde des Vertrages von Lissabon, nachdem das irische Referendum vom 2. Oktober mit einer überwältigenden Zwei-Drittel-Mehrheit zu dessen Gunsten ausgegangen war.
Im Gegensatz dazu weigert sich der tschechische Staatspräsident Václav Klaus - als letztes Staatsoberhaupt der EU-Mitgliedstaaten - beharrlich, den Vertrag von Lissabon zu ratifizieren. Es sei nicht sosehr die Demokratiefeindlichkeit des Vertrages von Lissabon, gegen die man sich zur Wehr setzen müsse, sondern es könnten aus diesem Vertrag beziehungsweise der diesem als rechtlich gleichwertig zugeordneten EU-Grundrechtecharta Eigentumsansprüche von nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei vertriebenen Sudetendeutschen begründet werden. Er hege die Befürchtung, dass die Charta den Bene-Dekreten aus den Jahren 1945 und 1946 widerspreche.
Bevor nicht eine entsprechende "Fußnote" zum Vertrag von Lissabon angebracht werde, aufgrund derer keiner der 2,5 Millionen Vertriebenen vor den Gemeinschaftsgerichten unter Berufung auf die EU-Grundrechtecharta die Restitution seines Vermögens einklagen könne, sehe er sich außerstande, diesen zu ratifizieren. Im Übrigen habe er diese Angelegenheit bereits vor fünf Jahren anlässlich des Beitritts der Tschechischen Republik zur EU ausgesprochen und eine Garantie der übrigen Mitgliedstaaten für die Unantastbarkeit der Dekrete gefordert.
Juristisches Glatteis
Der von Klaus mit dieser Forderung konfrontierte schwedische EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeld sprach in dem Zusammenhang von einer "falschen Botschaft zur falschen Zeit", ohne aber auf die damit aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen. Mit seiner Forderung auf Verankerung einer solchen Zusatzklausel begibt sich der tschechische Staatspräsident auf juristisches Glatteis. Falls er darunter verstehen sollte, dass er nur dann ratifizieren werde, wenn Tschechien - so wie Großbritannien und Polen durch das Protokoll im Anhang zum Vertrag von Lissabon - in einem primärrangigen Protokoll zugesichert werde, dass die Charta in der tschechischen Rechtsordnung keine unmittelbar einklagbaren Rechte schaffe, so verlangt er damit eine Primärrechtsänderung.
Eine solche müsste von allen 26 Mitgliedstaaten, die bereits ratifiziert haben neuerlich ratifiziert werden - eine Forderung, die völlig unrealistisch ist. Meint er mit seiner "Zusatzklausel" aber die Setzung eines diesbezüglichen Vorbehalts zum Vertrag von Lissabon im Zuge der Ratifikation desselben durch ihn selbst, dann verkennt er seine Kompetenz beziehungsweise das Verfahren zur Vorbehaltssetzung zu völkerrechtlichen Verträgen.
Da Vorbehalte ja materielle Änderungen am Vertragstext darstellen, sind sie - genauso wie der Vertragstext selbst - bereits in der Regierungsvorlage an das Parlament vorzusehen und müssen von der parlamentarischen Genehmigung durch dieses ebenfalls erfasst werden. Damit liegt die Kompetenz zur Setzung von Vorbehalten aber eindeutig bei der jeweiligen Regierung und nicht beim Staatspräsidenten, der einen solcherart genehmigten Staatsvertrag nur mehr telle quelle ratifizieren kann.
Weigert er sich aber, trotz parlamentarischer Genehmigung, den Vertrag zu ratifizieren, verletzt er seine Amtspflichten, es droht ihm entweder ein politisches Misstrauensvotum durch das Parlament oder eine rechtliche Amtsenthebung durch das Verfassungsgericht. Beide Drohungen wurden von Parlamentariern bereits ausgesprochen.