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Revolte gegen Gaddafi stürzt Libyen ins Chaos

Von WZ Online

Politik

Plünderungen von ausländischen Baustellen. | Gaddafi soll sich in Kaserne verschanzt haben - Diplomat: Loyale Militärs halten nur noch wenige Stützpunkte. | UNO verlangt internationale Untersuchung. | Tripolis/New York/Genf. Der Volksaufstand gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi stürzen Libyen ins Chaos. Seit Beginn der Unruhen sind in dem nordafrikanischen Land nach Schätzungen bereits mehr als 560 Menschen getötet worden; der TV-Nachrichtensender Al-Arabiya meldete, etwa 1400 Menschen würden vermisst. | Gaddafi ist nicht mehr Herr der Lage | Terrormäzen als Handelspartner


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Die Menschenrechts-Hochkommissarin der Vereinten Nationen, Navanethem Pillay, forderte eine internationale Untersuchung des brutalen Vorgehens des Regimes. Bei den Übergriffen auf Demonstranten handle es sich möglicherweise um Verbrechen gegen die Menschheit, sagte die südafrikanische Juristin in Genf. In New York soll der UNO-Sicherheitsrat in diesen Stunden zu einer Krisensitzung zusammentreten, in Kairo findet ein Dringlichkeitstreffen der Arabischen Liga statt.

Diplomat: Jugend kontrolliert Rest des Landes

Gaddafi soll sich inzwischen in einer Kaserne in Tripolis verschanzt haben. Der zurückgetretene Chefdelegierte Libyens bei der Arabischen Liga, Abdulmoneim al-Honi, sagte der Deutschen Presse-Agentur in einem Telefoninterview: "Er ist jetzt in Bab al-Asisiyah. Das Gelände dort ist sechs Quadratkilometer groß. Außer diesem Stützpunkt gibt es jetzt nur noch zwei Kasernen, die von Gaddafi und seinen Anhängern gehalten werden."

Eine der noch von Gaddafi-Getreuen kontrollierten Militärstützpunkte sei die Al-Saadi-Kaserne östlich von Sirte, der Geburtsstadt des Diktators. "Der Rest des Landes wird jetzt von der Jugend kontrolliert", sagte Honi. Zu dem Video, das Gaddafi in der Nacht auf Dienstag im Staatsfernsehen ausstrahlen ließ, erklärte der zurückgetretene lachend: "Das war wieder eine Merkwürdigkeit aus dem Schatz der Merkwürdigkeiten von Gaddafi."

Gaddafi hatte sich am frühen Dienstagmorgen im Staatsfernsehen kurz zu Wort gemeldet. Er halte sich in Tripolis auf, sagte er. Zuvor waren Gerüchte laut geworden, der Machthaber habe sich nach Venezuela abgesetzt. Gaddafi hielt während der Aufnahme, die wie ein Sketch wirkte, einen Regenschirm in der Hand und trug eine Fellmütze mit Ohrenschützern. Er habe eigentlich seine Anhänger auf dem Grünen Platz besuchen wollen, sagte er, dann habe ihn aber der Regen davon abgehalten.

Luftwaffe gegen Demonstranten

Der seit 1969 herrschende Gaddafi geht mit äußerster Härte gegen die Protestbewegung vor. In der Hauptstadt Tripolis und in der zweitgrößten Stadt Benghazi soll nach Angaben des arabischen Fernsehsenders Al-Jazeera die Luftwaffe auf Demonstranten geschossen haben. Außerdem soll die libysche Führung schwarzafrikanische Söldner gegen die eigene Bevölkerung einsetzen.

Plünderungen

Bei den Protesten wurden auch zahlreiche Baustellen ausländischer Firmen geplündert oder in Brand gesteckt. Die chinesische Regierung protestierte gegen Misshandlungen ihrer Staatsbürger.

Landkarte von StepMap

Nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua aus Tripolis haben Bewaffnete die Baustelle der chinesischen Huafeng Construction Company gestürmt und geplündert. Fast 1000 chinesische Bauarbeiter hätten ihre Unterkünfte verlassen müssen und seien obdachlos geworden. Die türkische Presse meldete am Dienstag, bisher seien 14 türkische Großbaustellen geplündert oder in Brand gesetzt worden. In Libyen befinden sich derzeit rund 25.000 türkische Staatsbürger. Sie sollen nun mit Schiffen nach Hause gebracht werden. Auf dem Flughafen von Benghazi, wo zahlreiche Ausländer festsitzen, können keine Maschinen mehr landen. Nach ägyptischen Informationen soll die Landebahn sei stark beschädigt.

Die Bemühungen zur Ausreise der in Libyen verbliebenen "unter 100" Österreicher laufen "auf Hochtouren", sagte der Sprecher des Außenministeriums, Peter Launsky-Tieffenthal, in Wien. Österreich bemüht sich gemeinsam mit anderen EU-Staaten sowie mit in Libyen tätigen österreichischen Firmen um die Evakuierung der Österreicher. Am Dienstag flog ein weiteres Unterstützungsteam mit Beamten des Innen-, Außen- und Verteidigungsministeriums nach Tripolis, um der Botschaft behilflich zu sein. Die Krise in Libyen war am Dienstag auch Thema im Ministerrat. (APA/sda/AFP/Reuters/Red.)

Siehe auch:Libysche Militärjets schießen auf Demonstranten

+++ Bundesheer flog EU-Bürger aus