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Revolution des Service

Von Martina Madner

Leitartikel

Das Kümmern der "Kummerln" brachte den Wahlerfolg.


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Ein Gespenst geht um in Graz - das Gespenst des Kommunismus? Manches Medium schreibt von "Jux und Tollerei" angesichts des Grazer Wahlverhaltens. So, als ob eine Stimme für andere Parteien als die KPÖ in Graz jedenfalls eine bewusste oder sinnstiftende Entscheidung gewesen wäre. Bürgerliche warnen mehr oder weniger ernsthaft vor "Lenin-Graz", um die neue Stadtspitze zu diskreditieren. Andere beruhigen, dass es sich bei der Spitzenkandidatin Elke Kahr ohnehin um eine Gemäßigte und keine Revolutionärin handle, die Bürgerliche enteigne.

Manche machen auch mehr die Schwäche der ÖVP-FPÖ-Koalition als die Stärke der KPÖ für deren Wahlsieg verantwortlich. Tatsächlich haben beide Parteien ihre Stimmen im Vergleich zur vorigen Wahl um ein Drittel reduziert. Vielleicht sind ein abgehobener Stil, ein Werken im Sinne von Eliten oder das Schüren von Ängsten keine dauerhaften Erfolgsgaranten beim Wahlvolk.

Oder ist es doch einfach der Wunsch der Grazerinnen und Grazer nach einer Politik in ihrem Sinne, also das Angebot der KPÖ und ihrer Spitzenkandidatin, das diese zum Erfolg führte?

Seit Jahren hat die Partei ein offenes Ohr für die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere bei sozialen Fragen und Problemen rund ums Wohnen stand die KPÖ den Grazerinnen und Grazern zur Seite. So wie das die Sozialdemokratie in den 1970ern einmal glaubwürdig für ihre Klientel tat. Als Dank dafür sammelten die Sozialdemokraten - ganz unvisionär - Mitgliedschaften und Stimmen bei Wahlen. Wie bei der SPÖ damals, so scheint es bei der KPÖ auch heute ein hemdsärmeliges Unter-die-Arme-Greifen, ein volksnahes, glaubwürdiges Kümmern der "Kummerln" gewesen zu sein, das zum Wahlerfolg führte. Für den unwahrscheinlichen Fall großer Zugewinne wünschte sich Kahr neben dem Verkehrs- und Gesundheitsressort gerne auch das Wohn- und Sozialressort - "das wäre, glaub ich, nirgendwo besser aufgehoben als bei uns", sagte sie vor der Wahl.

Die Herausforderung für die KPÖ wird nun sein, wie sie aus dem Kümmern um sozial Schwache eine gerechte Verteilung der Mittel und Ressourcen der Stadt macht - ohne dabei ihre Volksnähe zu verlieren. Denn: Hemdsärmeliges Anpacken zeugt zwar von Engagement. Es schützt allerdings nicht vor der Gefahr, dass die Lautesten am meisten Gehör finden und sich durchsetzen.

Gerechte Verteilung von Budgetmitteln nach konkreten Regeln und Zielen kann den Vorteil haben, dass sie für alle nachvollziehbar ist und auch Schwächere zum Zug kommen. Der Nachteil ist aber, dass eine solche Politik Bürokratie verursacht und unter Umständen auch länger dauert - was die KPÖ bei den nächsten Wahlen dann wieder Stimmen kosten könnte.