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Revolution per Erlass

Von Klaus Huhold und Konstanze Walther

Politik
Das Ehepaar Trump salutiert vor der Inauguration vor dem Lincoln Memorial in Washington.
© reu/Segar

Der neue US-Präsident Donald Trump will die Politik seines Vorgängers Barack Obama wieder rückgängig machen. | Er besitzt - wie auch seine Vorgänger -ein mächtiges Instrument, um gleich damit loslegen zu können: den präsidialen Erlass.


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Washington/Wien. Donald Trump ist oft sein eigener Pressesprecher. Über den Kurznachrichtendienst Twitter lässt er die Welt an seinen Meinungen und Stimmungen teilhaben. Wenn er dabei nicht gerade seinem Zorn über Medien und politische Gegner freien Lauf lässt, dann feiert er sich selbst und seine Anhänger.

Von einer "Bewegung, wie es sie noch nie gab" ist dann die Rede, von "Leidenschaft" und "Wandel", und immer wieder packt Trump seinen Wahlkampfslogan "Make America great again" aus. "IT WILL CHANGE!!!!" - Amerika werde sich ändern, kündigt Trump großspurig in Großbuchstaben an.

Und die Revolution hat nun begonnen. Der Immobilien-Tycoon, der zum Start des Wahlkampfes noch als Publicity-Clown verlacht worden war, Donald J. Trump wurde am Freitag als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angelobt.

Trumps politisches Programm definiert sich stark durch Gegnerschaft zu seinem Vorgänger: Was passiert mit den Maßnahmen für den Umweltschutz? Obama hat etwa in seinen letzten Amtstagen noch große Teile der arktischen Gewässer für Ölbohrungen gesperrt. Für Trump ist Umweltschutz ein Hindernis für die Industrie, es soll wieder ohne Einschränkungen gebohrt und gefördert werden. Was geschieht mit "Obamacare", dem Programm, das rund 20 Millionen US-Bürgern eine Krankenversicherung brachte? Teuer und ineffizient. Die Freihandelsabkommen, die Obamas Administration verhandelt hat? Unnötig und schädlich. Trump predigt Protektionismus und Zölle. Und in der Einwanderungspolitik soll nun sowieso der Wind rauer wehen.

Dafür besitzt er ein mächtiges Instrument, um gleich vom ersten Tag an seine Vorstellungen schnell und einseitig umzusetzen: den präsidialen Erlass. Damit erhält er die Möglichkeit, bereits zu regieren, während einzelne Mitglieder seines Wunschkabinetts noch vom Kongress abgesegnet werden müssen. Und er kann sich damit als Macher präsentieren. Trump will nicht langwierig Kompromisse suchen, sondern sein Heimatland als oberster Manager wie ein Unternehmen leiten.

Dass Trump von der Möglichkeit des Präsidialerlasses ausgiebig und schnell Gebrauch machen werde, hat sein Sprecher Sean Spicer bereits vor der Angelobung angekündigt. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat Trumps Team bereits 200 Erlasse ausgearbeitet, wobei noch nicht klar ist, wie viele und welche er tatsächlich unterschreiben wird. Kurz nach der Angelobung unterzeichnete er jedenfalls erste Anordnungen in einer kleinen, im Fernsehen übertragenen Zeremonie. Es handelte sich um die formalen Nominierungen für sein Kabinett. Darunter war auch die Sonderregelung für seinen Verteidigungsminister James Mattis, der als pensionierter Vier-Sterne-General eigentlich noch mehrere Jahre pausieren hätte müssen.

Laut seinem Sprecher wird Trump in seinen Dekreten wohl zunächst Schritte setzen, um die Ratifizierung des Transpazifischen Freihandelsabkommen TPP zu stoppen. Dieses hätte die USA und elf weitere pazifische Nationen, von Australien über Vietnam bis Chile, umfassen sollen. Auch das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada will Trump neu aushandeln. "Ich denke, hier wird man schnell Bewegung sehen", so Spicer.

Ein thematischerKraut- und Rübenacker

Über weitere Themen wird wild spekuliert. Medien und politische Beobachter rechnen damit, dass der neue Präsident gleich einmal ein Zeichen setzen und den Bau der versprochenen Mauer zu Mexiko anordnen wird. Zudem ist denkbar, dass Trump Maßnahmen zum Klimaschutz, die etwa den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren sollen, auf Eis legt.

Doch wie weit kann Trump mit diesen Erlassen überhaupt gehen? Das Spielfeld der präsidialen Erlasse gleicht einem Kraut- und Rübenacker. Im Prinzip gibt es keine Thematik, die von diesen Anordnungen ausgenommen wird. Das erklärt sich aus Artikel II Absatz 1 der Verfassung der Vereinigten Staaten: "Die exekutive Macht ist dem Präsidenten der USA verliehen." Eine Einschränkung nach Ressorts ist nicht vorhanden. Grob gesprochen, fallen durch Erlasse Einzelentscheidungen - sie sind keine breite Politikvorgabe. Die einseitig ausgesprochenen Erlasse können theoretisch durch den Kongress wieder aufgehoben werden (durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit). Und es galt immer die implizite Annahme, dass dadurch der Präsident ohnedies nur auf einer Linie mit dem Kongress agiert.

Die graue Theorie wurde von der gelebten Praxis oft genug konterkariert. Dem scheidenden US-Präsidenten Barack Obama wurde etwa eine äußerst breite Anwendung von Erlassen vorgeworfen. Er hat sie etwa dazu verwendet, um ein Amt für Indigene Rechte einzuführen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Obama noch kurz vor Ende seiner Amtszeit einen Erlass unterzeichnete, mit dem er die Entlassung von vier Häftlingen aus dem umstrittenen Gefangenlager Guantanamo besiegelte. Damit befinden sich noch 41 Häftlinge in Guantanamo.

Das Lager auf Kuba wurde übrigens von Obama zu Beginn seiner Amtszeit per Erlass geschlossen. Doch dagegen agierten Republikaner und Demokraten vereint im Kongress - das Lager blieb bestehen. Und Trump hat laut eigenen Angaben den Plan, keinen weiteren der dort Inhaftierten zu entlassen.

Sollte sich Trump, wie angekündigt, bei dem einseitigen Erzeugen von Vorschriften besonders hervortun, wäre er aber nicht der erste Präsident, der von diesem zum Teil umstrittenen Werkzeug tüchtig Gebrauch macht. Denn die überschießende Verwendung von solchen Erlassen bringt in den USA immer den Vorwurf des quasi diktatorischen Entscheidens mit sich.

Bill Clinton war ein großerFan des Erlasses

Und nun hat ausgerechnet der Ehemann der unterlegenen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, Bill, in seinen Amtszeiten derart viel und oft am Kongress vorbei agiert, dass sich seine Berater sogar dieser Taktik in den Medien gerühmt hatten. "Mit nur einem Pinselstrich" könne man so einfach Gesetze schaffen, erzählte Paul Begala, Berater von Bill Clinton, der "New York Times" 1998: "Das ist ziemlich cool."

Präsidiale Erlasse haben zum Teil zu geschichtsträchtigen Begebenheiten geführt. Präsident Dwight Eisenhower konnte im Jahr 1957 mit dem Executive Order Nummer 10730 US-Militär nach Little Rock, Arkansas, schicken, um Schwarzen den Zutritt zu Schulen zu gewährleisten. Die Rassentrennung war gerade formal aufgehoben worden, doch der damalige Gouverneur von Arkansas ließ die Nationalgarde eine Schule umstellen, um Schwarze am Einlass zu hindern. Eisenhower bereitete dem ein Ende.

Präsident Ronald Reagan hat mit einem Erlass die Finanzierung von Familienplanung (unter anderem Abtreibungen) durch den Bund untersagt. Ein Umstand, den übrigens Bill Clinton mit einem Erlass wiederum umgekehrt hat. Kein Erlass ist also für ewig in Stein gemeißelt.