Zum Hauptinhalt springen

Revolutionäre mit gebundenen Händen

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Die Labour Party kommt nicht recht in Schwung. Die Kritiker von Parteichef Jeremy Corbyn sind frustriert, wagen aber noch keine Rebellion.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

London. Am Ende musste Jeremy Corbyn alle Hoffnung auf die Londoner Bürgermeister-Wahl setzen. Von seinem Kandidaten Sadiq Khan erhoffte sich der britische Oppositionsführer und Labour-Vorsitzende wenigstens an der Themse einen Erfolg. Als sich am Freitag nach nervösem Warten ein Sieg für Khan abzeichnete, konnte Corbyn aufatmen. Zumindest die Hauptstadt-Kampagne hatte sich für Labour gelohnt.

Außerhalb Londons aber hatte Corbyns Partei nach "Super Thursday", dem großen Wahltag in Britannien, wenig vorzuweisen. Bei den englischen Kommunalwahlen hatte die Partei Mühe, ihren bisherigen Besitzstand zu wahren. Bei den Parlamentswahlen in Wales musste sie Einbußen hinnehmen. Und in Schottland, ihrem alten Kernland, fiel sie bei der Wahl zum neuen Edinburgher Parlament noch hinter die Konservativen auf einen beschämenden dritten Platz zurück.

Das weckte am Freitag unmittelbar neue Kritik an Corbyn, dessen tastender Linkskurs und dessen wackelige öffentliche Auftritte viele Labour-Parlamentarier als ein immer größres Problem betrachten. Die Abgeordnete Jo Cox zum Beispiel schrieb ihrem Parteichef unverblümt die Schuld für "eine armselige Wahlnacht" zu. Ein Jahr nach dem Unterhaus-Wahltriumph der Tories im letzten Mai hätte Labour "sehr viel mehr Fortschritte machen müssen, als wir sie hier gesehen haben", klagte Cox bitter. Zu einem Sieg bei den nächsten Unterhauswahlen werde man "auf diese Weise nicht kommen". Um überhaupt Siegeszuversicht für die nächste Unterhauswahl zu haben, "müssten wir Sitze dazugewinnen, statt welche zu verlieren", meinte auch der frühere Minister Peter Hain. Der Trend, den die Wahlen vom Donnerstag offenbarten, zeige "nicht den Auftrieb, den wir uns erwartet hatten".

Viele Labour-Leute ziehen aus den enttäuschenden Ergebnissen auch schon den Schluss, dass sie mit Corbyn langfristig nicht gewinnen können. Ein Linkssozialist an der Parteispitze, der Mühe habe, gegen einen geschickt operierenden Tory-Premier wie David Cameron anzukommen und im politischen Mittelfeld neues Terrain zu besetzen, könne nichts gegen die Konservativen ausrichten, meinen Corbyns Kritiker.

Verbündete des Labour-Vorsitzenden wittern denn auch eine Verschwörung. Der linke Generalsekretär der größten britischen Gewerkschaft Unite, Len McCluskey, wirft einer Reihe prominenter Labour-Leute neuerdings vor, Corbyn durch ihre Äußerungen systematisch "zu beschädigen" und ihn "verraten" zu haben.

Doch auch wenn von manchen in der Fraktion bereits lebhaft diskutiert wird, wie man den ungeliebten Vorsitzenden absetzen könnte, die im vorigen Sommer nach links gerückte Parteibasis, die den Parteivorsitzenden wählt, steht offenbar immer noch geschlossen hinter Corbyn. Zwängen ihn seine Fraktionskollegen zum Abgang, würde die Mitgliedschaft Corbyn einfach wiederwählen. Gefragt, ob es nicht Zeit für einen Coup gegen Corbyn sei, antwortete der Corbyn-Gegner und Labour-Abgeordnete John Mann am Freitag achselzuckend: "Nein, ich glaube, da läuft nichts."