Medizin baut kulturelle Brücken. | Studenten aus den neuen EU-Staaten in Österreich.
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Wien. Auch Einzelne können zum interkulturellen Verständnis beitragen. Herbert Ehringer, Gründer und langjähriger Leiter der Abteilung Angiologie am Wiener AKH, startete im Jahr 2004 - anlässlich des Beitritts der neuen EU-Staaten - ein Projekt, das Österreicher und Menschen aus dem neuen EU-Raum einander näher bringen soll. „Der Beitritt dieser Länder war ein wichtiger Schritt in Richtung Normalisierung und Österreich sollte meiner Meinung nach ein Zeichen setzen”, findet Ehringer. Da kam ihm die Idee zu „Medizinstudenten ohne Grenzen”.
Jeden Sommer kommen seither Dutzende Medizinstudenten aus Süd-, Ost- und Mitteleuropa für ein einmonatiges Praktikum an Österreichs Kliniken und Krankenhäuser. Ein exzellenter Studienerfolg und gute Deutschkenntnisse sowie die Nominierung der jeweiligen Partner-Uni sind die Voraussetzungen für die Teilnahme.
Herbert Ehringer ist auch die Berücksichtigung sozialer Verhältnisse ein Anliegen: Studierende aus finanziell schlechter gestellten Familien sollen - sofern sie die oben genannten Kriterien erfüllen - auch eingeladen werden. „Im September erwarten wir den 913. Studenten”, erzählt Ehringer voller Stolz. Ausgewählt werden die Studenten von den Lions Clubs in Österreich, die auch die Kosten für das Quartier übernehmen, einen Barbetrag zur Verfügung stellen und die Studierenden in der Freizeit betreuen. Heuer unterstützen 88 Lions Clubs das Projekt. Als Ehringer damit anfing, war er bereits Mitglied eines Lions Clubs und konnte seinen Verein für das Vorhaben begeistern.
„Bei der Bewerbung für das Sommerpraktikum musste man seinen Wunschort, den Wunschmonat und drei Bereiche angeben, in denen man medizinisch tätig sein möchte”, erzählt Ferenc Kolonics, ein 23-jähriger Teilnehmer aus Budapest. Probleme hat er zeitweise mit der Sprache: „Die verschiedenen österreichischen Dialekte waren oft schwer zu verstehen. Einen alten Mann aus Linz etwa habe ich überhaupt nicht verstanden.”
„Das tut Europa gut”
Alma Mutevelic aus Sarajevo war positiv überrascht über das Vertrauen der Ärzte: „Ab der zweiten Woche konnten wir unter Aufsicht der Ärzte den Patienten selbständig Blut abnehmen und Infusionen anlegen. Bevor ich herkam, hatte ich das erst zweimal gemacht.” In seiner Heimat würden diese Aufgaben eher die Krankenschwestern und nicht die Ärzte übernehmen.
Herbert Ehringer betont die Wichtigkeit des Austausches zwischen jungen Menschen aus den verschiedenen europäischen Ländern: „Europas Identität besteht aus der Vielfalt seiner Kulturen. Wir müssen die gegenseitige Scheu verlieren und uns besser kennenlernen. Das tut dem Kontinent gut.” Sein Vehikel dafür ist die Medizin.
Freilich treffen sich die Studenten außerhalb der Praxiszeiten meist nur mit den eigenen Landsleuten, sagt Anna Krajcovicová aus Bratislava: „Untereinander vermischt es sich eher nicht. Man bleibt meistens unter sich.” Ferenc Kolonics hat ähnliche Erfahrungen: „Die ganze Gruppe trifft sich insgesamt drei Mal während des ganzen Monats. Am Abend ist man dann eher in kleineren Cliquen unterwegs.”