Verbündete richten Waffen aufeinander. Separatisten in Aden. Riad und Abu Dhabi steuern in verschiedene Richtungen.
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Sanaa/Wien. Aden unterscheidet sich deutlich vom restlichen Jemen. Die Bewohner sind weltoffener, in den Hotels und Straßen entdeckt man mit etwas Glück noch spätkolonialen Charme.
Das hat seinen Grund, denn der strategisch bedeutsame Hafen an der Meerenge zwischen Arabischer Halbinsel und Afrika war bis 1963 britische Kronkolonie. Manche ältere Jemeniten standen noch in Diensten ihrer Majestät der Königin und sprechen stolz einige Brocken Englisch. Auch etwas, was in den übrigen Teilen des Bürgerkriegslandes so gut wie nicht vorkommt.
Vor dem Kollaps des Kommunismus war der Südjemen mit seiner Hauptstadt Aden unabhängig, dann wurde er vom kriegerisch-arabischen Norden eingegliedert. Seitdem herrschen auch in Aden strikte Verschleierungspflicht für Frauen und Alkoholverbot, die Einhaltung wird von aus dem Norden kommenden Sittenwächtern streng kontrolliert und geahndet.
Seitenwechsel
Aden und das Umland wollen ihre verlorene Unabhängigkeit zurück, doch diese Bestrebungen wurden in den vergangenen Jahren von Unruhen im Gefolge des Arabischen Frühlings und einem blutigen Bürgerkrieg überlagert. Schiitische, vom Iran unterstützte Houthi-Rebellen eroberten 2014 die Hauptstadt Sanaa und drangen tief in den Süden des Landes vor. Die Separatisten verbündeten sich notgedrungen mit der Armee, die gegen die Houthi kämpft. Die Streitkräfte unterstehen der Regierung von Abed Rabbo Mansour Hadi, der von einer arabischen Koalition unter der Führung Saudi-Arabiens unterstützt wird. Wobei Riad hier eindeutig die Fäden in Händen hält.
Doch diese Militärkoalition wird brüchig. Die Allianz zwischen dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) hat Risse bekommen, zu unterschiedlich sind die Interessen. Riad will den Norden des Jemen unter seine Kontrolle bekommen. Von dort aus gefährden Houthi-Kämpfer saudisches Territorium, oft schlagen Raketen auch in bewohntem Gebiet ein. Die Rebellen verfügen außerdem über Drohnen. Den VAE geht es darum, ihren Einfluss im Süden, am Golf von Aden, auszubauen. Abu Dhabi unterstützt deshalb die "Separatisten vom südlichen Übergangsrat" mit Gerät und militärischen Beratern.
Diese Separatisten haben nun in Aden die Waffen gegen die Armee erhoben und den Präsidialpalast, in dem auch die Regierungsbüros untergebracht sind, erobert. Seit die Houthi 2014 Sanaa überrannt haben, dient Aden der international anerkannten Regierung als Hauptstadt. Scheinbar zumindest, denn Präsident Hadi residiert mit seinen wichtigsten Ministern längst in Riad.
Die Präsidialgarde räumte das Feld, ohne Widerstand zu leisten, die Separatisten sollen dann ein völlig verlassenes Großgebäude vorgefunden und bald den Rückzug angetreten haben.
Bürgerkrieg im Bürgerkrieg
Mit den neuesten kriegerischen Auseinandersetzungen wird die Lage im Jemen immer komplexer und verschachtelter. Es tobt jetzt ein Bürgerkrieg im Bürgerkrieg - und die Separatisten denken nicht daran, aufzugeben. Am Sonntag kam es erneut zu heftigen Kämpfen zwischen Armee und Unabhängigkeitskämpfern, dutzende Männer blieben tot auf dem Schlachtfeld.
Der große Verlierer des komplizierten Spiels ist der Saudi-Prinz Mohammed bin Salman, der zusehen muss, wie sein sorgsam geschmiedetes Bündnis zerbröckelt. Er versucht jetzt, die Allianz mit Gewalt zusammenzuhalten. So hat Riad einen Waffenstillstand zwischen den ehemals Verbündeten - der Armee und den Separatisten - verordnet. Jeder Verstoß werde geahndet. Doch ob dieser Weg ans Ziel führt, ist fraglich. Vorerst haben sich die Separatisten, die ihre militärische Stärke realistisch einschätzen, zu einem solchen Waffenstillstand bereit erklärt. Doch das hat im Jemen wenig Bedeutung.
Die Houthi-Rebellen können sich indes zurücklehnen und dem Zerfallsprozess des Gegners zusehen. Ihre Niederwerfung durch Riad ist zumindest in weite Ferne gerückt.
Dazu kommt, dass auch die Al Kaida Regierungstruppen in Aden angreift. Anfang August stürmten Angreifer der Extremistengruppe eine Militärbasis in Aden, 19 Soldaten kamen ums Leben. Zuvor kam es zu einem Anschlag von Dschihadisten auf eine Kadettenanstalt der Polizei, dabei sollen bis zu 60 Menschen getötet worden sein.
Nordjemeniten vertrieben
Unterdessen verschlechtert sich die humanitäre Lage dramatisch. Wegen der Kämpfe und Bombardierungen aus der Luft haben bereits zwei Millionen Menschen ihre Heimat verloren. In den Flüchtlingslagern herrschen fürchterliche sanitäre Zustände, es gibt kein sauberes Wasser, immer wieder bricht die Cholera aus. Und bei den jüngsten Kämpfen um Aden sind wieder Zivilisten getötet oder verletzt worden.
Deutschland leistet im Jemen Entwicklungshilfe, hier zeigt man sich angesichts der Gewalt in Aden "sehr beunruhigt" - vor allem über Berichte, wonach Nordjemeniten aus dem Süden vertrieben würden. Nach deutschen Informationen sind im Großraum Aden - dort leben 1,9 Millionen Menschen - noch 34 humanitäre Organisationen tätig. Die Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten über den Hafen sei derzeit noch möglich.