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Rice der Fiskalklippe geopfert

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Warum es für Obama besser war, auf seine Favoritin zu verzichten.


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Washington/Wien. Ganz offiziell war es ihre eigene Idee: Die US-Botschafterin bei der UNO, Susan Rice, hat ihrem Präsidenten mitgeteilt, dass sie nicht länger für den Posten als Außenministerin zur Verfügung stehe. Doch in Wahrheit dürfte es umgekehrt gewesen sein. Barack Obama hat seine Favoritin für die Nachfolge von Hillary Clinton wohl auf dem Altar der politischen Notwendigkeit geopfert.

Schon seit Wochen haben sich die Republikaner, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit stellen, auf Rice eingeschossen. Angriffspunkt waren ihre Erklärungen nach dem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi am 11. September. Die UN-Botschafterin hatte noch fünf Tage nach dem Anschlag in Libyen, bei dem US-Botschafter Chris Stevens und drei seiner Mitarbeiter getötet wurden, die Einordnung der Tat als Akt des "Terrors" verweigert.

Im Senat, der ihre Nominierung abnicken muss, formierte sich Widerstand. Drei republikanische Senatoren unter der Führung von John McCain, Obamas Gegner im Präsidentschaftswahlkampf vor vier Jahren, erklärten, Rice nicht akzeptieren zu wollen. Zwar halten die Demokraten im Senat die Mehrheit, doch stand ein mögliches Filibustern im Raum, ein Dauerreden der Opposition, bis das Vorhaben aufgegeben wird. Über die nötige Mehrheit von 60 Senatoren, um das zu verhindern, verfügen Obamas Parteifreunde nicht.

Analysten glauben, dass es Obama möglich gewesen wäre, Rice dennoch durchzubringen, wenn er es darauf angelegt hätte. Doch der Preis wäre zu hoch gewesen. Obama hätte wohl Monate dafür gebraucht und dabei sein ganzes politisches Kapital verbraucht. Das, in einer Zeit, in der mit der Fiskalklippe dringlichere und mit Immigrations- sowie Energiereformen wichtigere Aufgaben auf den Präsidenten warten. Das Kräftemessen hätte den Republikanern zudem schon früh die Gelegenheit gegeben, eine geschlossene Front gegen Obama aufzubauen.

Hätte Rice nicht zurückgezogen, wäre es das erste Mal in der jüngeren Geschichte der USA gewesen, dass ein Senat einen vorgeschlagenen Außenminister zu Fall bringt. Was es für die Republikaner vielleicht besonders attraktiv gemacht hat, mit der Tradition zu brechen, ist die wahrscheinliche Alternative zu Rice: Senator John Kerry.

John Kerry rückt auf

Mit dem glücklosen Präsidentschaftskandidaten aus 2004 käme ein weißer alter Mann in Obamas Kabinett. Nicht gerade eine Identifikationsfigur für Obamas Wählerschaft, der dann - wie es der Beruf mit sich bringt - häufig in den Medien präsent wäre. Weiß, alt, männlich ist vielmehr die Zielgruppe, bei der die Republikaner punkten.

Durch eine Nominierung Kerrys - der übrigens ein langjähriger Freund McCains ist - ergäbe sich für die Republikaner die Gelegenheit, einen Senatssitz aus dem Bundesstaat Massachusetts zurückzuerobern, den sie bei den letzten Wahlen eingebüßt haben. Wird Kerry Außenminister, muss er seinen Sitz im Senat, den er seit fast drei Jahrzehnten innehat, aufgeben. Bei den resultierenden Neuwahlen in Massachusetts dürfen sich die Republikaner Hoffnung auf einen Sieg machen.

Obama auf der anderen Seite hat durch den Verzicht auf Rice ein Zugeständnis an die Republikaner gemacht. Dieser Beweis für Kompromissbereitschaft könnte ihm bei den Verhandlungen über die Fiskalklippe in die Hände spielen. Ende des Jahres laufen weitreichende Steuererleichterungen aus. Einigen sich Obama und das Repräsentantenhaus nicht, treten Etatkürzungen und Steuererhöhungen im Umfang von 600 Milliarden Dollar in Kraft, was erneut eine Rezession nach sich ziehen könnte. Obama wird nun für Rices Opferung Zugeständnisse von den Republikanern fordern. Noch dazu, wo der kürzlich im Amt bestätigte Präsident die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich weiß.

Druck auf Republikaner

Gleichzeitig wird gehörig politischer Druck aufgebaut. Die republikanischen Senatoren seien eine Schande für die Tradition der Überparteilichkeit und Kooperation in Sachen nationaler Sicherheit gewesen, hieß es vom demokratischen Mehrheitsführer Harry Reid. Anderenorts konnte man hören, die Republikaner hätten eine fähige schwarze Politikerin abgeschossen, quasi stellvertretend für Obama.

Rice zu opfern, könnte sich letztlich als strategisch wichtig erweisen. Ein bitterer Nachgeschmack wird dennoch bleiben. Obamas Freund zu sein ist nämlich gerade ein wenig unattraktiv geworden. Rice war Obamas Freundin der ersten Stunde. Sie hat sich 2007 schon früh der Präsidentschaftskampagne des Mannes angeschlossen, der später Präsident werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt war er allerdings noch ein Außenseiter. Zur Außenministerin machte Obama dennoch Rivalin Clinton. Auch der ersehnte Posten als Nationale Sicherheitsberaterin blieb Rice verwehrt. Jetzt, endlich, hätte ihre Stunde geschlagen und da wurde sie zum Bauernopfer. Einzig die Hoffnung bleibt ihr, vielleicht doch noch Nationale Sicherheitsberaterin zu werden.