Ebadi warnt vor Militärschlag. | Ölpreis für Ahmadi-Nejad "zu niedrig". | Chicago/Teheran/Wien. Im Atomstreit mit Iran geht US-Außenministerin Condoleezza Rice in die Offensive. Für einen Militäreinsatz bräuchten die USA nicht unbedingt eine Entscheidung des Weltsicherheitsrates. Dazu könne man auch - wie im Irak oder auf dem Balkan - abermals eine "Koalition der Willigen" organisieren, erklärte sie in Chicago.
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Nächste Woche endet die UN-Frist für den Iran, sämtliche Anreicherungsaktivitäten einzustellen. Seit Tagen quält sich der Sicherheitsrat vergeblich um einen Konsens über das weitere Vorgehen im Atomstreit, weil Russland und China strikt gegen Sanktionen sind, während die USA eine härtere Gangart als einzig wirkungsvolle Option sehen. Rice stellte nun den beiden Großmächten und Teheran die Rute ins Fenster, indem sie einen Tag, nachdem US-Präsident George W. Bush in der Iran-Frage abermals eine Militäroption offen ließ, nachlegte. Es gebe Länder, die überlegten, welche finanziellen und politischen Schritte in einer Koalition ergriffen werden könnten, betonte Rice am Mittwochabend. Sie gehe davon aus, dass die Diplomatie letztendlich zum Erfolg führen werde. Sollte dies aber nicht der Fall sein, wüssten sich die USA zu helfen: "Für das Recht auf Selbstverteidigung wird nicht unbedingt eine Resolution des UN-Sicherheitsrates benötigt".
Ebadi: Krieg wäre fatal
Die klaren Worte der US-Chefdiplomatin und die Entwicklung im Atomstreit empfindet die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi als "besorgniserregend" und "fatal". Sie warnte die USA vor einem Militärschlag gegen den Mullahstaat. "Man kann Demokratie nicht in ein Land hineinbomben", meinte die 58jährige gegenüber der "Wiener Zeitung". "Ein Militärschlag würde alles zerstören, auch die zarten Erfolge der Menschenrechtsbewegung im Iran. Wenn der Westen die Menschenrechte und die Demokratiebewegung fördert, hat man die beste Waffe gegen jede aufstrebende Atommacht", so Ebadi weiter. In dieselbe Kerbe schlugen auch die Präsidenten Ägypten und Frankreichs, Hosni Mubarak und Jacques Chirac. Anlässlich Chiracs zweitägigen Staatsbesuches in Kairo sprachen sich die beiden Staatsmänner nachdrücklich für eine diplomatische Lösung aus, denn der Einsatz von Waffengewalt könnte "unbeschreibliche, ernste Konsequenzen für die Lage im Nahen Osten haben."
Ungeachtet des wachsenden Drucks hat Teheran am Donnerstag eine Ausweitung seines Atomprogramms angekündigt. Demnach sollen schon in den "nächsten Wochen" weitere Zentrifugen zur Urananreicherung in Betrieb genommen werden.
Sichtlich erzürnt über diese Ankündigung forderte Russlands Außenminister Lawrow konstruktive Schritte vom Iran. Lawrow sagte, Teheran müsse der Forderung nach einem Anreicherungs-Stopp Folge leisten. Zur weiteren Vorgangsweise befragt meinte er jedoch, dass es notwendig sei, den Bericht des Chefs der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Mohammed ElBaradei, abzuwarten. Moskau, das mit dem Iran strategische und ökonomische Interessen verbindet, steht unter Erfolgsdruck. Aus den USA werden Stimmen lauter, die einen Stopp der russischen Waffenlieferungen an Teheran und ein Ende der Hilfe für den Bau des iranischen AKWs in Busher fordern.
Erst am Mittwoch waren Gespräche der stellvertretenden Außenminister der USA, Russlands, Chinas, Großbritannien, Frankreichs und Deutschlands in Moskau ergebnislos zu Ende gegangen. ElBaradei will dem UN-Sicherheitsrat seinen Iran-Bericht am 28. April vorlegen. Zuvor sollen heute Freitag einige IAEO-Inspektoren den Iran besuchen.
Öl für die Armen
Unterdessen ließ Irans Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad mit dem Vorschlag aufhorchen, arme Länder mit preiswertem Erdöl zu versorgen, dafür aber die Industriestaaten stärker zur Kasse zu bitten. Die Erdöl produzierenden Länder, vor allem die Opec-Mitglieder, sollten eine Quote festlegen, um den Verbrauchern in armen Ländern Öl einen "besseren" Preis anzubieten, meinte er in Anlehnung an einen ähnlichen Vorschlag von Venezuelas Präsident Hugo Chavez. Die Förderquote will Teheran aber keinesfalls erhöhen, damit der Preis in den Industriestaaten nicht sinkt.
Das Erdöl erziele trotz der Preisanstiege während der vergangenen Jahre noch immer nicht seinen "wahren Preis", beklagte Ahmadi-Nejad. Wegen des Iran-Konflikts bewegt sich der Ölpreis zurzeit auf Rekordniveau. Der Iran ist der viertgrößte Produzent von Erdöl und könnte seine Ausfuhren stoppen bzw. die für Öltransporte strategisch wichtige Straße von "Hormus" blockieren.