Strafrechtsexperte sieht nur wenig Reformbedarf bei Geschworenengerichten. | Kritik an Eile bei den Prozessen. | Wien. Die Pläne von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zur Reform der Geschworenengerichte stoßen bei einigen Strafrechtsexperten auf Kritik. Peter Lewisch, Rechtsanwalt und Dozent für Strafrecht, sieht in den derzeitigen Geschworenengerichten "ein leistungsfähiges System, das wesentliche Aufgaben erfüllt".
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Geht es nach der Justizministerin, soll die Rolle der Laienrichter in Zukunft abgeschwächt werden: Bei Geschworenenverfahren sollen nur mehr fünf Laien gemeinsam mit drei Richtern sowohl über die Schuldfrage als auch die Strafhöhe gemeinsam entscheiden.
Der Kritik, dass sich Laienrichter in der Beurteilung der Schuldfrage irren, versuchte Lewisch im Rahmen einer Buchpräsentation am Montagabend entgegenzuwirken.
Laut einer Studie seien nur rund zwei Prozent durch Geschworene zustande gekommene "Wahrsprüche" in den Jahren 2006 bis 2008 von den Berufsrichtern aufgehoben worden. Die Entscheidungen von Laienrichtern könnten also nicht "dramatisch falsch" sein.
Auch wenn Geschworene mehr aus dem Bauch heraus komplexe Fragestellungen lösen, würde die Fehleranfälligkeit nicht steigen.
Von einer Begründung der Schuldfrage durch die Geschworenen, wie sie von Kritikern vielfach gefordert wird, hält Lewisch aber nichts. Diese würde eher zu einer Verschlechterung der Entscheidungsqualität führen.
Verbesserungsbedarf
Auch Strafrechtsprofessor Manfred Burgstaller ist von der Bedeutung der Geschworenengerichte überzeugt. Diese würden am besten die Prozessgrundsätze der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit gewährleisten. Durch das ausgeklügelte System im Zusammenspiel von Laien- und Berufsrichtern kämen bessere Urteile zustande.
Als Schwachstelle in den Geschworenenverfahren ortet Rechtsanwalt Richard Soyer vor allem durchgepeitschte Prozesse. "Ein Mordprozess kann nicht in drei Stunden abgehandelt werden." Schließlich müsse den Geschworenen ausreichend Zeit gegeben werden, um sich mit der Materie zu befassen. Verbesserungspotenzial sieht er in der Auswahl und in der öffentlichen Rechtsbelehrung von Geschworenen.
Bedenken gegen die Geschworenengerichte meldete Juridicum-Dekan Heinz Mayer an. "Wenn es bei einem Freispruch nur noch darauf ankommt, ob der Angeklagte den Geschworenen sympathisch ist, wäre eine Abschaffung besser."
Wissen
Geschworenengerichte setzen sich derzeit aus acht Laienrichtern und drei Berufsrichtern zusammen. Sie entscheiden über mit schweren Strafen bedrohte Verbrechen und politische Delikte. Die Laienrichter entscheiden alleine über die Schuldfrage, ohne das begründen zu müssen. Über die Strafhöhe entscheiden Laien- und Berufsrichter gemeinsam.