Gegen die Bestrebungen Justizminister Dieter Böhmdorfers, in Wien ein zweites Straflandesgericht mit angeschlossener Justizanstalt zu errichten, wehren sich die Richter. Bei einer Informationsveranstaltung gestern im Wiener Straflandesgericht wurden Baupläne und Minister mit wenig schmeichelhaften Begriffen wie "Dilettantismus, Konzeptlosigkeit und Geldvernichtung" bedacht. Böhmdorfer weist die Vorwürfe zurück.
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Lange Zeit schien es, als sei das Kriegsbeil zwischen Justizminister und den Proponenten der Dritten Staatsgewalt begraben. Dieser friedliche Zustand ist spätestens seit dem gestrigen Statement von Günter Woratsch, dem Präsidenten des Wiener Straflandesgerichts, vorbei. Der streitbare Richter, der mit Ende dieses Jahres in den Ruhestand geht, bescheinigte dem Minister unter heftigem Applaus seiner Amtskollegen "Konzeptlosigkeit, Dilettantismus und Widersprüchlichkeiten".
Wenn das Straflandesgericht geteilt würde, kämen alle Nachteile zum Tragen, die damals für die Abschaffung des Jugendgerichts gesprochen hätten, argumentieren die Richter: Teure Parallelstrukturen, komplizierte Zuständigkeiten, Zeitverlust, Mehrkosten. Auch fehlten in Wien 60 Richter-Planstellen. "Trotzdem sollen in Wien heute weitere zehn Richterstellen eingespart werden", monierte Peter Liehl von der Richtervereinigung. Für neue Gebäude wie das Justizzentrum Wien-Mitte würden Millionen Euro hinausgeschmissen, so Thomas Kreuter vom Betriebsausschuss des Landesgerichts.
Böhmdorfer kontert gegenüber der "Wiener Zeitung": Mehr als 500 Untersuchungshäftlinge gebe es in Wien zu viel, das Gesetz verlange es, selbige dort im Gefängnis unterzubringen, wo das Gericht ist. Pläne, das Graue Haus aufzustocken, um mehr Haftraum zu schaffen, seien aus bau- und sicherheitstechnischen Erwägungen nicht zu realisieren. Die Forderung nach mehr Planstellen habe er stets unterstützt: "Aber es ist das nicht meine Entscheidung. Eigentlich sollten der Schröder und der Neugebauer (Richter-, bzw. Beamtengewerkschafter. Anm.) bei Kanzler Schüssel im Büro sitzen, um das zu diskutieren".