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Richterspruch schürt Angst vor Gewalt in Bangladesch

Von Klaus Huhold

Politik

Islamistenführer zu lebenslanger Haft von Kriegsverbrechertribunal verurteilt.


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Dhaka. "Er ist ein Veteran." Dieser Satz wird in Bangladesch oft mit Ehrfurcht ausgesprochen. Immer wieder bekommen ihn Ausländer zu hören, wenn sie etwa mit Einheimischen ein Kaffeehaus besuchen. Diese deuten dann auf einen älteren Herren in ihrer Mitte, und das ist dann der Veteran. Will heißen: Er hat im Unabhängigkeitskrieg gegen Pakistan 1971 (Bangladesch war zuvor ein Teil Pakistans ) die Souveränität von Bangladesch miterfochten.

Doch eine Minderheit der Bevölkerung kämpfte für den Verbleib bei Pakistan, und bis heute herrscht im Land keine Einigkeit, wie mit der Vergangenheit umzugehen ist. Vor allem seit die regierende Awami League 2009 ein Kriegsverbrechertribunal ins Leben gerufen hat, ist das Land polarisiert - eine politisch motivierte Abrechnung sei das Gericht, sagen die einen, eine längst fällige Genugtuung für die Opfer, die anderen.

Das Tribunal hat am Montag jedenfalls für weiteren Zündstoff gesorgt, indem es den 91-jährigen Islamistenführer Ghulam Azam zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte. Milizen, die für Mord und Folter verantwortlich waren, sollen von ihm aufgebaut worden sein. Azam führte von 1969 bis 2000 die Jamaat eI-Islami an, eine religiös fundamentalistische Partei, die heute im Parlament sitzt. Die Jamaat hatte sich während des Krieges gegen die Unabhängigkeit Bangladeschs ausgesprochen. Vor Azam wurden bereits vier andere ehemalige und aktuelle Mitglieder der religiösen Bewegung verurteilt, drei davon zu Tode, wobei ein Verurteilter vor dem Richterspruch aus dem Land geflohen ist.

Rund um das Urteil gegen Azam kam es am Montag zu Zusammenstößen zwischen Islamisten und der Polizei. Die Lage ist angespannt. Denn immer wieder kam es rund um die Tribunalsurteile zu gewalttätigen Protesten, bei denen bereits etwa 100 Menschen ums Leben kamen. Auf der einen Seite stehen dabei die zornigen Anhänger der Jamaat und auch Teile der zweiten Oppositionspartei BNP, die das Tribunal als Instrument der regierenden Awami League betrachten, um mit Gegnern abzurechnen. Auf der anderen Seite steht aber auch eine Bewegung, die immer wieder die Todesstrafe gegen Angeklagte fordert. Deren prominenteste Vertreter, etwa jugendliche Blogger, stehen wiederum auf Todeslisten der Islamisten.

Es ist mehr als erwiesen, dass es während des neunmonatigen Unabhängigkeitskrieges zu fürchterlichen Verbrechen kam - Historiker schätzen, dass eine halbe Million Menschen getötet wurden, 200.000 Frauen sollen vergewaltigt worden sein. Doch das Tribunal steht nicht nur in Bangladesch in der Kritik: So kritisieren etwa auch internationale Menschenrechtsorganisationen, dass die Prozesse gängigen Standards nicht entsprechen würden.