Abwesender EZB-Chef Draghi für Veröffentlichung der Ratsprotokolle.
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Frankfurt. Die Rache der Journalisten an den Politikern sei das Archiv, meinte einst der verstorbene "ZiB"-Moderator Robert Hochner. Ähnliches dachte sich möglicherweise der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, am Donnerstag. Der oberste Euro-Banker sagte kurzfristig seine als fix geltende Teilnahme am Richtfest für den Neubau der EZB-Zentrale in Frankfurt "aus Termingründen" ab. Es wäre ein geradezu symptomatischer Auftritt gewesen: Draghi während Euro-Misere und Schuldenkrise inmitten einer Großbaustelle.
500 Millionen Euro kostet der Komplex abseits des traditionellen Bankenviertels in der Main-Metropole. An der denkmalgeschützten Großmarkthalle aus dem Jahr 1928 entsteht ein bis zu 185 Meter hoher Doppelturm. Der Umzug in das neue Gebäude ist für 2014 geplant; rund 1500 Beschäftigte der Notenbank sollen dann in das neue Domizil ziehen. Für die spektakuläre Architektur zeichnet das Wiener Büro Coop Himmelb(l)au verantwortlich.
Fed und Bank of England als Transparenz-Vorbilder
Während sich Draghi beim Richtfest lieber in Deckung begibt, signalisiert er hingegen Bereitschaft, die bislang geheimen Sitzungsprotokolle des EZB-Rats zu veröffentlichen. Umstrittene Beschlüsse wie der Ankauf von Anleihen angeschlagener Euro-Länder sollen auf diese Weise legitimiert werden - offiziell argumentiert die Zentralbank mit höherer Transparenz: "Die EZB ist in hohem Maß der Transparenz verpflichtet und hat sie deshalb kontinuierlich im Fokus", erklärt eine Sprecherin.
Transparenz-Vorbilder sind die US-Notenbank Fed und die Bank of England. Diese veröffentlichen ihre Protokolle drei Wochen nach einer Sitzung - bei der EZB sind es 30 Jahre. "Das ist ein viel zu langer Zeitraum", sagt das finnische EZB-Ratsmitglied Erkki Liikanen in Übereinstimmung mit dem deutschen Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann. Für eine Änderung wäre lediglich eine Mehrheit im EZB-Rat nötig.
Die bisherige Geheimniskrämerei der EZB hat auch handfeste Gründe. Sie soll die Rats-Mitglieder - das Direktorium und die Präsidenten der Zentralbanken in den Euro-Staaten - vor dem Druck der nationalen Notenbanken und Politiker schützen.
Und nicht überall hinkt die EZB in Sachen Transparenz hinterher. So veröffentlichen die Euro-Banker monatlich einen umfangreichen Bericht, Draghi erklärt einmal im Monat den Standpunkt der Notenbank. Dagegen stellt sich Fed-Chef Ben Bernanke nur viermal pro Jahr den Fragen der Journalisten.