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Richtig ankommen

Von Valentine Auer

Politik

Das "Sir Peter Ustinov Institut" legt konkrete Maßnahmen zur Integration von Geflüchteten vor.


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Wien. Während vonseiten der Politik kurz vor der Wahl diskutiert wird, wie Grenzen dichtgemacht werden können, um die illegale Migration weiter zu verringern oder gar auf null zu bringen, diskutieren Experten aus Wissenschaft und Praxis die Frage "Wie schaffen wir das?" Gemeint ist die Integration der Personen, die bereits hier sind. Ein Mittwochabend präsentiertes "Policy Paper", ausgearbeitet vom "Sir Peter Ustinov Institut", soll darauf Antwort geben. Mit der Hoffnung, dass auch die Politik zu den konkreten Forderungen Stellung nimmt.

"Sie schreiben, dass die Politik hier überrascht wurde", beginnt Ferry Maier das Paper zu kommentieren. Durch sein im Juni erschienenes Buch "Willkommen in Österreich?" sprach er mit vielen Menschen über die Fluchtmigration der letzten Jahre. Er kennt die Praxis. Als ehemaliger Nationalratsabgeordneter und Flüchtlings-Co-Koordinator kennt er auch die Politik. Und die kann sich nun etwas anhören. Überrascht von der Fluchtmigration 2015 kann niemand gewesen sein: Bereits 2011 lag der Bundesregierung ein Papier des Heeres-Nachrichtendienstes vor, dass mit einer starken Migration und mit Belastungen der Grenzsicherheit rechnete. "Ich würde meinen, überrascht ist niemand worden. Man wollte es nur nicht wahrhaben", so Maier weiter.

Es ist das erste Versäumnis der politischen Verantwortlichen in puncto Flucht und Asyl. Und eben diese Versäumnisse gilt es zu analysieren, um eine sinnvolle Migrations- und Flüchtlingspolitik umzusetzen. Laut dem "Sir Peter-Ustinov-Institut" fehlt eine solche Politik.

Anfangen müsse man in den Herkunfts- und Transitländern: Die Fluchtursachen zu bekämpfen scheint zwar im aktuellen Wahlkampf ein gemeinsamer Nenner der unterschiedlichen Parteien zu sein, konkrete Vorschläge gibt es jedoch wenige. Während Sebastian Kurz Österreich fälschlicherweise im internationalen Spitzenfeld bei der Entwicklungszusammenarbeit sieht, spricht Ferry Maier auch hier von Versäumnissen: "2015 gingen von Österreich 5,3 Millionen Euro an das World Food Programm, vom UNHCR 3,6 Millionen Euro. Zusammen sind das knapp 9 Millionen Euro."

Eine Frage der Haltung

Zum Vergleich: 2015 gab die Bundesregierung laut "Dossier"-Redaktion knapp 14,8 Millionen Euro für Eigenwerbung in Medien aus. "Irgendwo ist da ein Missverhältnis. Es ist eine Frage einer gewissen Geisteshaltung, die offensichtlich nicht da ist, die aber eingefordert werden muss", kommentiert Maier seinen Vergleich.

Auch beliebt in Zeiten vor Wahlen: das Sprechen über Integration. Doch niemand spricht über Integration als zweiseitigen Prozess, erklärt der Vorstandsvorsitzender des "Sir Peter Ustinov Instituts", Hannes Swoboda. Die Rahmenbedingungen, um eine gemeinsame Integration zu fördern, müssen daher geändert werden. Insbesondere, wenn es um den Arbeitsmarkt und um die Bildung geht.

Die langen Wartezeiten auf ein - und während - der Asylverfahren schließen die Geflüchteten gerade aus diesen Bereichen aus. Betroffen sind hauptsächlich junge Menschen, wie Winfried Moser erklärt. Er ist wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des "Instituts für Kinderrechte und Elternbildung". Seinen Schätzungen nach sind rund 80 Prozent der nach Österreich geflüchteten Personen unter 35 Jahre alt. Seit 2011 sind etwa 90.000 15- bis 24-jährige Asylwerber nach Österreich gekommen.

"Diese Menschen, die sich am Übergang von Ausbildung zu Beruf befinden, haben keinen Zugang. Sie dürfen nicht arbeiten, sie dürfen sich nicht bilden", sagt Moser voller Unverständnis. So können Asylsuchende einzig in der Saisonarbeit oder in Mangellehrberufen tätig werden. Gerade für Letzteres ist das Kontingent zu klein. Daher fordert Moser, Zugangshürden beiseite zu räumen: Der sogenannte "Bartenstein-Erlass", der den Arbeitsmarkt für Asylsuchende auf Saison- und Erntearbeit einschränkt, muss weg. Genauso das "bewusste Ausschließen" von Asylsuchenden bei der Ausbildungspflicht bis 18. Die Lehre muss für alle geöffnet werden, da diese Ausbildungsform die Integration fördert.

Apathische Jugendliche

Werden diese Öffnungen nicht umgesetzt, verstoße Österreich gegen die "EU-Richtlinie", die den Zugang zum Arbeitsmarkt und Bildungssystem regelt sowie gegen die "Kinderrechtskonvention" und produziert so Jugendliche und junge Erwachsene, die in ihrem Nichts-tun-Können von Apathie und beruflicher Dequalifikation gefährdet sind.

Auch Änderungen im elementarpädagogischen Bereich werden im "Policy Paper" angesprochen, denn Kindergärten und -gruppen sind zentrale Schnittstellen zwischen Familie und Gesellschaft, erklärt Bildungswissenschaftlerin Maria Fürstaller. Konkret: In der Aus- und Weiterbildung der Pädagogen müsse die Reflexionsfähigkeit von eigenen Vorurteilen Thema sein. Im Kindergarten darf Mehrsprachigkeit nicht als Problem verstanden werden, denn dies birgt die Gefahr, fragmentierte Identitäten zu produzieren.

Weitere Punkte, deren Umsetzung vom "Sir Peter Ustinov Institut" vorgeschlagen werden, betreffen die stärkere Unterstützung von Ehrenamtlichen, NGOs sowie Gemeinden. In Ballungszentren sollten zudem "One Stop Shops" aufgebaut werden, in denen alle Behörden, Betreuungseinrichtungen, inklusive muttersprachlichen Betreuer, unter einem Dach zusammenarbeiten.

Ideen gibt es also viele. Der Versuch, Menschen aus verschiedenen Parteien zu erreichen, scheiterte jedoch. Die Einladung zur Diskussion nahm einzig Menschenrechtssprecherin der Grünen Alev Korun wahr. Hannes Sowoboda gibt nicht auf: "Wir werden weiterhin versuchen Politiker zu überzeugen, dass es nicht um die Frage der Schließung, der Begrenzung von Migration geht, sondern dass die Inklusion wichtig ist."

Derzeit sei das Problem laut Ferry Maier jedoch noch, dass die Politik in einer anderen Realität lebe: "Die Welt, über die die Regierung spricht, ist eine andere als die in der Wirklichkeit. Das ist erfreulich." Denn Ängste gibt es laut Studien nur dort, wo Menschen keinen Kontakt mit Flüchtlingen haben. "Ich habe den Eindruck, dass die Regierung schon lang keine Flüchtlinge mehr gesehen hat", so Maiers Schlussfolgerung aus den aktuellen politischen Debatten.