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Richtiges Mahnmal - falscher Standort

Von Liam Hoare

Gastkommentare

Warum die geplante Gedenkmauer für die Opfer der Schoah nicht im Wiener Ostarrichipark stehen sollte.


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Die Anregung kam Anfang des Jahres vom französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy: "Wenn das moderne Österreich seine Mitschuld am Holocaust wirklich bedauern möchte, kann es das auf sehr einfache Art tun. Warum nicht im Zentrum von Wien eine Mauer errichten, wie es in Paris geschehen ist, und dieser 60.000 Menschen gedenken, die aus den Konzentrationslagern nie wieder zurückgekehrt sind?"

Lévys Vorschlag war völlig passend und geeignet, genauso wie die nachfolgende Unterstützung durch die Bundesregierung und die Stadt Wien. Obwohl es wirkungsvolle und rührende Mahnmäler auf dem Judenplatz und der Aspangstraße gibt, würde die geplante Namensgedenkmauer die wesentliche jüdische zentrale Bedeutung der Schoah betonen und die menschlichen Dimensionen dieser unvergleichbaren Tragödie belegen. Es könnte auch einen Schwerpunkt genau in der Mitte der bestehenden unkoordinierten Konstellation der Holocaust-Denkmäler in Wien werden.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Nach einer langen Auseinandersetzung über den zukünftigen Standort der Mauer wurde eine traditionelle österreichische Kompromisslösung gefunden: Sie soll laut der Stadt Wien im Ostarrichipark bei der Nationalbank errichtet werden.

Dieser Standort ist zumindest besser als der frühere Vorschlag der Bundesregierung, die Namensmauer auf dem Schmerlingplatz beim Parlament einzurichten. Im Grete-Rehor-Park steht bereits ein Denkmal für die (sozialdemokratischen) Gründer der Republik Österreich, einschließlich Viktor Adler, der selbst jüdischer Herkunft war. Jedes neue Denkmal dort würde ungeachtet des Themas das bestehende Denkmal in den Schatten stellen, insofern wäre dieser Standort ein bisschen zynisch gewesen.

Doch auch der Ostarrichipark wäre keineswegs ideal. Lévy empfahl klar, die Mauer im Stadtzentrum zu errichten. Obgleich die aktuell geplante Stelle an die Nationalbank und den Campus der Universität (das Alte AKH) angrenzt, liegt diese Grünfläche an der Alser Straße dennoch vom Gefühl her zu abgelegen und abseits ausgetretener Touristenpfade. Was bringt ein Denkmal, wenn niemand hinkommt und die Namen liest? Der Ostarrichipark als Standort würde das falsche Signal senden: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Am besten auf dem Heldenplatz

Das genaue Gegenteil - und das Nonplusultra in Bezug auf Holocaust-Mahnmale in Europa - ist das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin. Das liegt nicht nur an der Machart - also am kühnen und revolutionären Design mit seinen ungeheuren Ausmaßen und dem Zusammenspiel zwischen Licht und Schatten -, sondern auch am Standort: Es steht mitten im einstigen Herz der Macht und Finsternis. Es ist still, aber es spricht Bände: Die deutsche Geschichte ist die Geschichte des Holocausts und andersherum.

Die Frage nach dem bestmöglichen Standort für neue Holocaust-Denkmäler ist selbstverständlich knifflig, aber die beste Antwort läge mit jenem in Berlin genau vor unseren Nasen. Damit der Holocaust im Mittelpunkt des österreichischen Nationalbewusstseins steht, damit das dunkelste Kapitel der österreichischen Geschichte jetzt und für immer unübersehbar wird, damit diese Namen und mit ihnen diese Leben und die jüdischen Präsenz in Österreich niemals vergessen werden, müsste analog zum Berliner Vorbild die österreichische Namensmauer eigentlich auf dem Heldenplatz errichtet werden.

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