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Richtungsentscheid für die Akademie

Von Bernhard Baumgartner

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Wenn die Schwedische Akademie einen Nobelpreis für Literatur zuerkennt, ist oft grübelndes Googeln angesagt. Die Reaktionen spielen sich meist zwischen "Ach, der" und "Kennt kein Mensch" ab. Das ist eine spannende Tradition. Neben der stets präsenten politischen Tangente des Preises, der sehr oft Autoren auszeichnet, die mit ihrer Kunst gegen den Strich bürsten, ist die Suche nach wenigen bekannten oder unzugänglichen Talenten gute Praxis. Immerhin hat die wohl höchste Auszeichnung, die man als Literat bekommen kann, auch den Effekt, jemanden schlagartig in den Weltkanon zu katapultieren und sein Werk oft durch vielfältige Übersetzungen überhaupt erst zugänglich zu machen. Heuer hat die Akademie mit diesen Traditionen gebrochen: Bob Dylan ist seit Jahrzehnten bekannt und hoch geschätzt, sein Werk ist überall und jederzeit zugänglich, und einen Fördereffekt durch das für einen einfachen Autor enorm hohe Preisgeld hat Dylan dank seines Erfolges natürlich nicht nötig. Über eine eventuelle politische Botschaft, sofern vorhanden, kann man auch nur rätseln. Allenfalls kann man noch darüber diskutieren, ob es um die Anerkennung des Genres Songtext als ernstzunehmende Literaturgattung geht. Doch auch da hätte es Lohnenderes gegeben: Was hätte etwa dagegen gesprochen, eine kritische Comic-Autorin auszuzeichnen? Es ist wohl eine Frage, was man grundsätzlich will: Will man als Schatzsucher verborgene Kleinode heben oder will man einen "Alte-Herren-Preis", der einem Künstler ab einer gewissen Erfolgsschwelle sozusagen zusteht? Beides ist legitim. Spannender ist Ersteres.