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Richtungsentscheidung in Frankreich

Von Michael Schmölzer

Politik

Regionalwahlen am Sonntag. Premier Valls warnt vor drohender Spaltung des Landes.


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Wien/Paris. Die französischen Regionalwahlen gehen am Sonntag in die entscheidende zweite Runde. Nach dem Erfolg der rechtsextremen Front National (FN) im ersten Wahlgang wird das Ergebnis mit großer Spannung erwartet. Die FN ging als stimmenstärkste Partei aus der ersten Runde, dahinter folgen die Konservativen, die Sozialisten landeten nur auf dem dritten Platz.

In Runde zwei dürften die Kandidaten von FN-Chefin Marine Le Pen schwächer abschneiden. Laut Umfragen zeichnet sich allerdings in mindestens zwei Regionen im Osten und Südosten Frankreichs ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Konservativen von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ab.

Ein möglicher Triumph der FN hat die Sozialisten zu verzweifelten Maßnahmen greifen lassen. So treten sie in zwei Regionen, Nord-Pas-de-Calais-Picardie und Provence-Alpes-Cote-d’Azur, nicht an, um den konservativen Republikanern zum Sieg zu verhelfen und den FN zu verhindern. Sarkozy hat seinerseits Absprachen mit den Sozialisten abgelehnt. Seine Äußerung, er könne in einer Stimme für die Front National nichts "Unmoralisches" entdecken, sorgt zusätzlich für Aufregung.

Widerspenstiger Kandidat

Heftig umstritten ist auch der sozialistische Kandidat Jean-Pierre Massaret, ein Polit-Urgestein, das sich weigert, zugunsten der Konservativen auf eine Kandidatur zu verzichten. Der 71-Jährige tritt an, was freilich den Sieg des rechtsextremen Kandidaten zur Folge haben könnte. "Es ist die Konfrontation mit der FN, die diese Partei zurückdrängen wird, nicht das Ausweichen", lautet das Credo Massarets, dem Widerspenstigen droht sogar der Parteiausschluss. Die Führung der Sozialisten ließ nichts unversucht und bedrängte alle, die auf Massarets Liste kandidieren, ihre Namen umgehend streichen zu lassen. Damit wäre die Liste ungültig geworden, doch der Versuch scheiterte knapp.

Die Wahl am Sonntag hat große Bedeutung, es ist das erste Votum nach den Pariser Terroranschlagen vor einem Monat. Angst und Verunsicherung sind überall spürbar, was der FN durch das Schüren von Ressentiments gegen Muslime nutzt. Dazu kommt, dass Regionalwahlen generell an Gewicht gewonnen haben. Die neu zugeschnittenen Verwaltungsgebiete im traditionell zentralistischen Frankreich haben mehr Kompetenzen erhalten. Sie können jetzt in den Bereichen Wirtschaftsförderung, Fortbildung und Beschäftigung alleine entscheiden.

Unterdessen feiern EU-feindliche Kräfte den Erfolg der französischen Rechten als großen Fortschritt. Italiens rechtspopulistische Oppositionspartei Lega Nord sieht sich ebenfalls im Aufwind und plant ein Gipfeltreffen populistischer EU-Gegner im Jänner. Neben der FN wird auch die FPÖ eingeladen sein.

Prominente haben auf den Rechtsruck in Frankreich mit drastischen Worten reagiert. Die als "Nazi-Jägerin" bekannte Beate Klarsfeld fühlt sich an die Jahre vor 1933 in Deutschland erinnert. Die Menschen seien unzufrieden, verblendet und ließen sich von Demagogen einspannen, so die Berlinerin, die in Paris lebt. Sollte Le Pen Präsidentin werden, dann müssten Juden auswandern.

Laut dem sozialistischen Premier Manuel Valls könnte ein Sieg der Front National das Land spalten und Frankreich sogar in einen Bürgerkrieg stürzen. Er warnte seine Landsleute davor, eine "antisemitische, rassistische Partei" zu wählen. Für die Regionen wäre ein FN-Sieg jedenfalls "verheerend".