Bauprojekte gewinnen gegenüber Öl an Bedeutung. | Name Kreisky öffnet in Libyen immer noch Türen. | Wien. Dieter Rothmann, Libyen-Manager der VA Tech Wabag, war schon zu Kreiskys Zeiten im Gaddafi-Reich. Damals war er am Stahlwerksbau der Voest Alpine in Misaratha beteiligt, wo heute der Großteil des Baustahls hergestellt wird.
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Rothmann ist einer der wenigen, der in Ministerien vorspricht, um die Genehmigungen früher zu erhalten und kein Geld in den Sand zu setzen. Derzeit baut er eine Kläranlage in Benghazi, der zweitgrößten Stadt Libyens. "Vor 25 Jahren gab es nicht einmal einheitliche Standards. Man hat die eine Kläranlage nach einem Prozess ausgelegt, die andere nach einem anderen." Heute ist das zentrale, staatliche "Housing and Investment Board" (HIB) für Bauinvestitionen zuständig. Firmenchefs müssen Projekt- und Businesspläne vorlegen - und Zeit haben. Bis es an die Umsetzung geht, können drei bis fünf Jahre vergehen.
Wundersamerweise ist für Vergabeverfahren bei der staatseigenen libyschen HIB ein Team von Amerikanern zuständig. Wollten die USA noch bis vor Kurzem nichts mit Libyen zu tun haben, haben sie seit der Öffnung des Landes den Fuß in der Tür. Wer nach Libyen geht, wittert Geschäft.
Auch Österreich will vom Aufschwung profitieren. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl besuchte den nordafrikanischen Staat mit einer Delegation, um Geschäfte im Bau- und Infrastrukturbereich anzubahnen. "Libyen ist von der Krise unbeeinflusst", machte Leitl heimischen Firmenvertretern Mut. Nach China und Indien stehe Libyen "in den Startlöchern - und mit ihm die Länder am Süden der Mittelmeerküste".
Nordafrika als neues Südosteuropa?
Im Unterschied zu Zentral- und Süosteuropa werde Österreich hier nicht Nummer-Eins-Investor sein. Afrika und der arabische Raum könne die Exportverluste nicht wettmachen. "Aber wir haben hier ein Riesenpotenzial vor der Haustür", sagte Leitl. Er verwies auf Österreichs guten Ruf: Die Samen, die "Mr. Bruno", wie Ex-Kanzler Kreisky in Libyen genannt wird, gesät habe, sprießen immer noch. Das Wirtschaftsministerium habe zugesichert, heimische Firmen bevorzugt zu behandeln. So soll die Regelung, wonach der Geschäftsführer eines ausländischen Unternehmens Libyer sein muss, für Österreichs Firmen nicht gelten. Zudem solle eine Firmen-Anmeldung binnen einer Woche erledigt sein. Bisher dauerte die Registrierung bis zu eineinhalb Jahre.
Während die Gesamtexporte im ersten Halbjahr um 25 Prozent zurückgegangen sind, sind österreichische Lieferungen nach Libyen um 24 Prozent gestiegen. Für 2009 wird mit einem Export-Volumen von mehr als 100 Mio. Euro gerechnet. Nur Pakistan weise stärkere Wachstumsraten aus, betont der Handelsdelegierte David Bachmann.
Allerdings betrifft das Wachstum nur wenige. Rund 20 österreichische Unternehmen sind derzeit in Libyen. Zugpferde sind die OMV mit einem Ölfeld im Syrte-Becken, die Vamed, die libysche Spitäler medizintechnisch ausstattet, und der Baustofferzeuger Asamer, der ein staatliches Zementwerk modernisiert hat. Auch die Strabag ist mit einer Niederlassung vertreten und setzt auf den U-Bahn-Bau in Tripolis. Der libysche Sovereign Wealth Fund, die Investitionsbehörde des Landes für Bauprojekte, verfügt über 100 Mrd. Dollar Reserven.
Fremde Investoren sind bisher Mangelware
Das Bestreben, neue Investoren anzuwerben, war bisher dennoch mäßig erfolgreich. Eine Vielzahl von Staatsbetrieben sucht strategische Investoren, die die veralteten Betriebe konkurrenzfähig machen. Doch die bürokratischen Erfordernisse sind laut Bachmann "umfangreich". Überdies ist eine Mindestbeteiligung von 35 Prozent eines libyschen Partners verpflichtend. Und ausländische Unternehmen brauchen einen finanziellen Polster: Sie müssen vor Projektbeginn eine "Registration Fee" von 2 Prozent des Volumens vorstrecken.
"In Libyen ist das Unmögliche oft leicht möglich und das leicht Mögliche oft unmöglich", betonte Kurt Asamer. Fest steht, dass im Reich von Oberst Gaddafi die Uhren anders ticken. Oder, wie es ein Einheimischer formuliert: "Ihr Europäer habt die Uhren, und wir haben die Zeit."