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Rift-Tal-Fieber sprang aus Afrika in den Nahen Osten

Von Friedrich Katscher

Wissen

Am 10. September 2000 erhielt das Gesundheitsministerium von Saudi-Arabien aus dem Südwesten des Landes Berichte über ein rätselhaftes hämorrhagisches (mit Blutungen aus allen Körperöffnungen auftretendes) Fieber unter der dortigen Bevölkerung und über damit zusammenhängende Todesfälle von Weidetieren. Symptome bei den erkrankten Menschen waren Fieber, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Gelbsucht mit Leber- und Nierenfunktionsstörungen, die in vielen Fällen zum Tode führten. (Bis zum 1. November starben 87 Patienten.) Am 15. September diagnostizierten die amerikanischen Zentren für Gesundheitsüberwachung und -verhütung (CDC) aus vier Blutproben, dass es sich um das von Viren hervorgerufene Rift-Tal-Fieber handelt, das bisher nur in Afrika aufgetreten war.


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Am 17. September bekam auch das Gesundheitsministerium des Jemen Meldungen über ähnliche Krankheits- und Todesfälle aus jenem Landesteil, der an das in Saudi-Arabien betroffene Gebiet angrenzt. Im Jemen starben bis 7. November 121 Patienten.

Britische Tierärzte entdeckten die Ursache

Im Juli 1930 wurden die Tierärzte Robert Daubney und John Richard Hudson von der Abteilung für Veterinärforschung in der damaligen britischen Kronkolonie Kenia in eine große Viehfarm nahe dem Naivasha-See in rund 1800 m Seehöhe gerufen, weil dort seit Ende Juni nahezu alle Mutterschafe entweder tote Tiere zur Welt brachten oder 95 Prozent ihrer lebend geborenen Lämmer nach einem Fieberanfall starben. Auch rund 20 Prozent der trächtigen Schafe krepierten. Insgesamt gab es 3.500 tote Lämmer und 1.200 tote Mutterschafe. Das Hauptkennzeichen bei der Obduktion der Tiere war eine Lebernekrose, ein Absterben der Leberzellen.

Daubney und Hudson stellten fest, dass die Krankheit, die es unzweifelhaft schon seit mehreren Jahren gab, nicht durch Bakterien, sondern durch Viren hervorgerufen und von mehreren verschiedenen Stechmückenarten übertragen wird. Die beiden Forscher fanden auch, dass vier Europäer und alle einheimischen Schäfer und Schafbetreuer an einem vorübergehenden Fieber erkrankten, das von schweren Gelenksschmerzen begleitet war.

In einer Länge von mehr als 6.000 km erstreckt sich vom Jordangraben durch das Rote Meer bis zum Sambesi in Mosambik eine Einsenkung der Erdkruste durch Ostafrika, bei der in vielen Millionen Jahren der Schwarze Kontinent auseinanderbrechen wird. Sie trägt den englischen Namen Rift Valley). Da sich die Farm, wo das Massensterben der Merino-Schafe in Kenia stattfand, dort befand, nannten Daubney und Hudson die neue Tierseuche "Rift Valley Fever", kurz RVF.

Die größte RVF-"Epizootie" (das was beim Menschen Epidemie heißt, ist bei den Tieren eine Epizootie; griechisch: demos, Volk; zoon, Tier) ereignete sich 1950/51 in Kenia mit dem Tod von geschätzten 100.000 Schafen. (Übrigens können auch ganz junge Hunde erkranken und sterben.)

Von 1930 bis 1975 galt das Rift-Tal-Fieber als eine südlich der Sahara auftretende, für den Menschen nicht tödliche "Zoonose" (auf den Menschen übertragbare Tierkrankheit). Dann zeigte sich die Krankheit zum ersten Mal 1975 in Südafrika und vier Menschen starben daran - wieso das Rift Valley Fever Virus (RVFV) auf einmal auch für den Menschen lebensgefährlich wurde, ist ungeklärt.

Erst Schafe, Ziegen, Rinder und Kamele betroffen

Und 1977 wütete die Krankheit, vom Sudan kommend, in Ägypten, also in Nordafrika, nicht nur enormen volkswirtschaftlichen Schaden verursachend unter Schafen, Rindern, Ziegen und Kamelen, sondern auch unter den Menschen. Über die Zahl der Erkrankungen gehen die Schätzungen auseinander: Von 18.000 bis 200.000. Doch die Zahl der gemeldeten Todesfälle ist eindeutig: 598! Die meisten Fälle verlaufen glücklicherweise mild.

Es begann Anfang September 1977 und endete mit dem kühlen Wetter im Dezember; außerdem hatte man die Stechmücken intensiv bekämpft. Doch viele Moskitos, bei denen die Insektenweibchen die Viren an ihre Eier weitergeben, überlebten den Winter und im Juli 1978 begannen neue, weniger, aber schwere Fälle.

Komplikationen beim Menschen sind eine Lebernekrose mit Blutungen - Gefäßkollaps, Schock und Tod, eine Retinitis (Netzhautentzündung des Auges) mit Beeinträchtigung des Sehvermögens - etwa die Hälfte der davon Betroffenen erleiden dauernde Augenschäden, zum Teil völlige Blindheit (1977/78 verloren 800 Ägypter durch das RVF ihr Augenlicht) - und eine Meningoenzephalitis (eine Hirnhautentzündung, bei der die Gehirnsubstanz in Mitleidenschaft gezogen wird). Die Krankheit kann auch durch Blut und andere Körperflüssigkeiten, also beim Schlachten oder beim Zubereiten von Fleisch, übertragen werden.

Epidemien breiteten sich zuerst bis nach Westafrika aus

In Israel wurden 1978 in einem landesweiten Feldzug alle Schafe und Rinder geimpft. In Ägypten verschwand die Krankheit, doch kehrte sie 1993 in milderer Form, vor allem mit Augenschäden, wieder. 1987 breitete sich das RVF nach Mauretanien und damit nach Westafrika aus. Und 1997, nach außergewöhnlich heftigen Regenfällen, durch die sich die Moskitos sehr stark vermehren, führte eine Epidemie in Nordost-Kenia und Süd-Somalia zu 478 Toten.

Jetzt ist also die gefährliche Tierseuche von Afrika nach Westasien übergesprungen. Die einzige Möglichkeit, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, ist eine Impfung der Tiere. Mit einem Impfstoff aus lebenden abgeschwächten Viren genügt eine Dosis für lebenslange Immunität, doch könnte er bei trächtigen Tieren zu Totgeburten führen. Mit einem Vakzin mit abgetöteten Viren dagegen sind immer wieder Nachimpfungen nötig.

Impfstoff für Menschen erst in der Entwicklung

mpfstoffe für Menschen sind in Entwicklung. Als Medikament ist das "Virostatikum" (der Virusvermehrungshemmer) Ribavirin in Erprobung. Touristen in den betroffenen Gebieten wird geraten, sich durch entsprechende Kleidung (lange Ärmel und Hosen), mit Repellents (Insektenvertreibungsmittel) und Bettnetzen zu schützen und den Aufenthalt im Freien zur Hauptstechzeit der Moskitos zu meiden.