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Ringen um die Europa-GmbH

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Widerstand gegen Ein-Euro-Firmen. | Österreich fürchtet sich vor Konkurrenz. | Brüssel. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise soll Klein- und Mittelunternehmen unter die Arme gegriffen werden, die von der Kreditklemme besonders betroffen sind. Eine der EU-Initiativen in diesem Bereich ist die Schaffung einer sogenannten Europäischen Privatgesellschaft (EPG) - einer EU-GmbH mit unkomplizierter und wenig bürokratischer Gründung und nur einem Euro Grundkapital. Nach der Registrierung bei der EU-Kommission wären Tochter- oder Schwesterfirmen in anderen EU-Ländern nach dortigem Recht nicht mehr notwendig.


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Doch was nach einer guten Idee klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als höchst kontroversielles Thema. Vor allem Österreich und Deutschland wollen ihre GmbH mit höheren Eigenkapitalanforderungen und verbrieften Arbeitnehmermitspracherechten nicht aushebeln lassen. Beide Länder stellen sich entschieden gegen die von der Kommission vorgeschlagene Konzeption der EPG, dass sich ein Unternehmer gleichsam ohne Bereitstellung von Eigenkapital der Haftung für seine Schulden entledigen kann.

Vereint gegen den Rest

Mindestens 10.000 Euro Stammkapital und einen noch nicht näher spezifizierten Solvenztest fordern Wien und Berlin für die Europäische Privatgesellschaft. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments, das bei der Etablierung der EPG nur beratende Funktion hat, schlägt 8000 Euro als Kompromiss vor.

Die skandinavischen Länder, Großbritannien und die 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten in Ost- und Zentraleuropa bilden die breite Front hinter dem Ein-Euro-Vorschlag der Kommission. Letztere vor allem, weil sie wegen der langen Zeit ohne Privatwirtschaft ohnehin keine traditionell verankerten GmbH-Formen kennen. Doch die Entscheidung über die EPG muss einstimmig gefällt werden.

Mit Deutschland hat Österreich einen mächtigen Partner mit ähnlicher Rechtstradition. Zu dieser gehören auch die Mitspracherechte der Arbeitnehmer, auf die Großbritannien nicht so viel Wert legt. In Österreich haben Arbeitnehmer ab einer Unternehmensgröße von 300 Mitarbeitern ein Mitspracherecht im Aufsichtsrat. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Schwelle von 500 Arbeitnehmern findet Wien zu hoch. In dieser Frage dürfte Österreich auch die Skandinavier auf seiner Seite haben, die sogar noch niedrigere Schwellen als die heimischen für die Arbeitnehmermitbestimmung fordern.

Ungeklärt ist auch noch, ob die EU-Gesellschaften nur für grenzüberschreitend tätige Unternehmen gegründet werden dürfen, worauf neben Deutschland und Österreich auch die Briten beharren; die schwieriger zu gründende österreichische GmbH würde sonst quasi überflüssig. Weit mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten stützt dagegen die Argumentation der Kommission, dass die Gründung der EPG durch diese Voraussetzung massiv komplizierter und bürokratischer würde.

Angesichts der offenen Kernfragen werde nicht mit einer Einigung auf die EPG unter dem bis Ende Juni dauernden EU-Vorsitz der Tschechen gerechnet, hieß es in Diplomatenkreisen. Wahrscheinlicher gilt ein Abschluss unter Federführung der Schweden im zweiten Halbjahr 2009. Geplanter Einführungstermin der Europa-GmbH ist der 1.Juli 2010.