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Ringen um Einfluss

Von Teresa Reiter

Politik
Ein Brics-Treffen im Zuge des G20-Gipfels im September 2013. Auf Indiens Platz wird heuer Narendra Modi sitzen.
© Itar Tass/Valery

Rund um den Brics-Staatengipfel besuchen Russland und China Verbündete in Lateinamerika.


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Brasilia/Moskau/Havanna. Brasilien bleibt auch nach Ende der Fußballweltmeisterschaft im Zentrum der Weltöffentlichkeit, denn am 15. und 16. Juli treffen die Regierungschefs der sogenannten Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika dort zusammen. Im Mittelpunkt des diesjährigen, sechsten Gipfeltreffens soll die Unterzeichnung eines Rahmenvertrags für eine eigene Brics-Entwicklungsbank stehen. Auch Russlands Pattsituation mit dem Westen in der Ukraine-Krise dürfte eine Rolle spielen. Nicht auf der Agenda stehen hingegen Erweiterungsfragen: Argentinische Medien hatten im Vorfeld des Gipfels über eine mögliche Aufnahme Argentiniens in die Staatengruppe spekuliert. Russlands Präsident Wladimir Putin schloss dies jedoch am Donnerstag aus.

Der Brics-Staatengruppe, die vom ehemaligen Goldman Sachs-Ökonomen Jim O’Neill benannt worden war, liegt vor allem der Wunsch zugrunde, dem Westen, besonders den USA, in internationalen Wirtschafts- und Sicherheitsfragen Paroli bieten zu können.

Werben um Verbündete

Diesem Sentiment entsprechend wird der chinesische Präsident Xi Jinping nach Ende des Gipfels noch Argentinien, Venezuela und Kuba besuchen, alles Länder mit eher problematischen US-Beziehungen. Besonders für Venezuela ist China wegen seiner reichen Investitionen in die venezulanische Ölindustrie ein wichtiger Partner. Außerdem hatte der chinesische Außenminister Wang Yi im Frühling angekündigt, die Wirtschaftsbeziehungen zu Argentinien und Brasilien noch enger knüpfen zu wollen. China ist bereits jetzt der bedeutendste Handelspartner Brasiliens und war bisher auch das - vor allem wirtschaftlich - wichtigste Mitglied der Brics-Staaten. Nach dem Rauswurf Russlands aus der G8-Staatengruppe infolge der Ukraine-Krise bemüht sich Putin nun vermehrt um andere Verbündete. Auch er wird in der Zeit um den Gipfel verschiedene Länder Südamerikas abklappern. Am Freitag machte er etwa in der kubanischen Hauptstadt Havanna Halt, um mit Staatschef Raúl Castro zusammenzutreffen. Diesem erließ Putin vor seiner Abreise 90 Prozent der Schulden des karibischen Inselstaats bei Russland, eine Summe von mehr als 23 Milliarden Euro. Experten vermuten dahinter einen Versuch, die russisch-kubanischen Beziehungen aus Sowjetzeiten wiederherzustellen, die seit dem Zerfall der Sowjetunion auf Eis lagen.

Gemeinsam einsam

Die Brics-Staaten erwirtschaften gemeinsam etwa 27 Prozent des weltweiten Bruttoinlandproduktes. Schon lange ringen die fünf Staaten um einen, ihrem wirtschaftlichen Beitrag entsprechenden Einfluss in der Weltpolitik. Davon abgesehen unterscheiden sich die Interessen der Schwellenländer jedoch deutlich. Dies stand einem weiteren Bedeutungsgewinn der Brics-Gruppe bisher im Wege. So unterstützt zum Beispiel das besonders im Güterbereich wettbewerbsfähige China ein Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO), das transnationalen Handel durch Zollsenkungen erleichtern soll. Der indischen Regierung ist dabei hingegen nicht wohl, sie bevorzugt freien Handel bei Dienstleistungen, der Stärke des Subkontinents. Bei der Landwirtschaft sind beide gegen eine Liberalisierung, die aber wiederum Brasilien zugute kommen würde. Ob die Gruppe global mehr Einfluss erlangen wird, hängt davon ab, inwieweit es gelingt, die wirtschaftspolitischen Prioritäten der einzelnen Länder aufeinander abzustimmen.