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Ringen um Hilfe für Madrid

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

EU-Finanzminister debattieren über Notkredite für strauchelnde Länder.


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Luxemburg. Wolfgang Schäuble berief sich auf Johann Wolfgang von Goethe. Schon zu Zeiten des Schriftstellers sei es nicht einfach gewesen, zwischen Wahrheit und Dichtung zu unterscheiden, befand der deutsche Finanzminister. Und bei den Finanzmärkten heute sei es noch schwieriger. Schäuble kritisierte mit seiner Aussage - nicht zuletzt mediale - Spekulationen über die nahe Zukunft der spanischen und italienischen Wirtschaft. Denn das verunsichere wiederum die Märkte. "Wie sollen Investoren in fernen Kontinenten unterscheiden können, wenn Medien völlig haltlose Sachen in die Welt setzen", fragte Schäuble rhetorisch vor dem Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe in Luxemburg.

Keine Spekulation hingegen war, dass die Zusammenkunft einmal mehr zu einer Marathonsitzung bis in die Nacht zum heutigen Freitag hinein werden würde. Anpassungen des milliardenschweren Hilfsprogramms für Griechenland, Beratungen über den Antrag Spaniens auf finanzielle Unterstützung für notleidende Banken, eine Debatte über Zypern: All das stand auf der Agenda des Ministertreffens.

Dabei war schon im Vorhinein klar, dass Athen mehr Zeit zur Umsetzung seines Sparprogramms gewinnen will. Die neue griechische Regierungskoalition einigte sich auf die Forderung nach einem zweijährigen Aufschub der Fiskalziele. Ihren Angaben zufolge würde das einen zusätzlichen Geldbedarf von mindestens 16 Milliarden Euro bedeuten. Welcher Finanzminister diesem Wunsch in Luxemburg Nachdruck verleihen sollte, war aber einige Zeit unklar; schließlich reiste nicht Vassilis Rapanos, der künftige, sondern der Interims-Minister Giorgos Zanias an.

Dass die EU Griechenland entgegenkommen könnte, war jedoch absehbar. So bezeichnete die österreichische Finanzministerin Maria Fekter eine zeitliche Erstreckung des Sparprogramms als vorstellbar. Die Reformpläne reichen bis ins Jahr 2020. Wenn die Griechen "dann doch vielleicht das eine oder zweite Jahr dranhängen müssen, dann bin ich überzeugt: Daran wird es nicht scheitern", erklärte Fekter.

Warten auf Spaniens Antrag

Mittlerweile ist das Augenmerk aber sowieso mehr auf Spanien gerichtet. Die Regierung in Madrid will "in den kommenden Tagen" offiziell um Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds ansuchen, um den angeschlagenen Bankensektor zu stützen. Das sei nur noch eine Formalsache, stellte Finanzminister Luis de Guindos klar. Spanien wollte zunächst klären, wie viel Geld das Land für die Rettung der Banken überhaupt brauche. Die Mitglieder der Euro-Zone haben Madrid schon Kredite in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro zugesagt.

Ganz so viel wird wahrscheinlich dann doch nicht nötig werden. Die Prüfung durch zwei unabhängige Beratungsunternehmen ergab eine Lücke von 51 bis 62 Milliarden Euro. Denn nur eine begrenzte Zahl von Banken sei in Schwierigkeiten, teilte die spanische Notenbank mit. Die drei größten Geldinstitute aber bräuchten keine Kapitalspritze.

Wie in Italien sind auch in Spanien die Renditen zuletzt so stark gestiegen, dass die Länder bei der Geldaufnahme immer weiter unter Druck geraten. Als Hilfsmaßnahmen diskutiert wurden etwa Anleihekäufe durch andere Euro-Staaten, Kredite aus dem Euro-Fonds oder dem permanenten Euro-Rettungsschirm ESM. Dieser ist allerdings noch nicht einmal in Kraft getreten, weil die Ratifizierung in den Ländern noch nicht abgeschlossen ist. So ist nicht ausgeschlossen, dass das Geld zunächst aus dem provisorischen Euro-Rettungsfonds fließt. In diesem Topf gibt es noch mehr als 200 Milliarden Euro, die im Notfall eingesetzt werden können.

Aus Italien kam unterdessen die Nachricht, dass das Land heuer sein Defizitziel wohl verfehlen werde. Angepeilt war 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Tauziehen um Finanzsteuer

Um auch die Finanzmärkte an den Kosten der Krise zu beteiligen, drängt Deutschland weiterhin auf die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen. Trotz aller innenpolitischen Probleme (siehe Artikel links) will Berlin beim Treffen der EU-Finanzminister am heutigen Freitag abklären, welche Länder an einer teilweisen Lösung interessiert wären. Österreich etwa ist ein starker Befürworter der Besteuerung.

Auf eine europaweite Ein-führung können sich Berlin und Wien derzeit nämlich keine Hoffnungen machen. Und selbst eine abgespeckte Version sei nicht machbar, heißt es aus Diplomatenkreisen. Zu groß ist der Widerstand aus Großbritannien etwa.