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Risiko-Job Bürgermeister: Steigende Belastungen - fehlende Kandidaten

Von Walter Hämmerle

Analysen

Aus Anlass der Kommunalwahlen in Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg an diesem Sonntag folgende kleine Geschichte: | Ein deutscher Tourist hat sich 2007 beim Wandern den Knöchel gebrochen, als er auf einer Brücke im Salzkammergut ausrutschte. Die Polizei nahm den Vorfall auf und schickte eine Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Staatsanwaltschaft. Diese wiederum machte den Bürgermeister der Gemeinde, in der das Unglück passierte, und dessen Vorgänger verantwortlich. Im Herbst vergangenen Jahres wurden beide Gemeindepolitiker vom Bezirksgericht in erster Instanz schuldig gesprochen und zu 7000 Euro Strafe und Schmerzensgeld verurteilt. Privat, versteht sich.


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Man sieht: Es ist gar nicht notwendig, auf die Tragödie des Ansfeldner Bürgermeisters zu verweisen, der vor kurzem Selbstmord begangen hatte, um aufzuzeigen, dass der Job eines Bürgermeisters viel von seiner einstigen Strahlkraft verloren hat. Der Politiker hatte unmittelbar zuvor für Schlagzeilen gesorgt, weil ihm von anonymer Seite zwei tote Mäuse samt einem Brief, der heftige Kritik an der Finanzlage der Gemeinde übte, zugeschickt worden war. Die Erinnerung an das Gift-Attentat auf den Ortschef der Wachauer Gemeinde Spitz war da noch frisch in Erinnerung.

Tätliche Angriffe auf Leib und Leben gegen Gemeindepolitiker sind Gott sei Dank noch immer die Ausnahme, doch verbale Drohungen und Beleidigungen durch Bürger, die sich durch Entscheidungen benachteiligt oder betrogen fühlen, gehören längst zur traurigen Realität.

Diese Entwicklung ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs: Darunter kämpfen vor allem die Bürgermeister der kleinen und kleinsten Gemeinden mit den ständig wachsenden fachlichen Anforderungen an ihr Amt. Als Ortschef sind sie Verwaltungs- und Baubehörde und müssen darüber hinaus auch für Raumordnungsentscheidungen geradestehen.

In einer Welt, wo Klagen vor Gericht längst zum Alltag gehören, ist der Job des Bürgermeisters längst zum persönlichen Risiko für die Amtsinhaber geworden. Nicht zuletzt angesichts eines durchschnittlichen Nettogehalts, das in Gemeinden mit 3000 bis 4000 Einwohnern 2000 Euro nicht übersteigt. Zumal es auch bei der sozialrechtlichen Absicherung erhebliche Defizite gibt und die Bürger erwarten, dass ein Bürgermeister fast 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche für sie erreichbar zu sein hat.

All dies führt mittlerweile dazu, dass sich immer weniger Bürger finden, die bereit sind, sich diesen persönlichen Belastungen und Risiken auszusetzen. Bei den Salzburger Bürgermeister-Direktwahlen im vergangenen Jahr kandidierte etwa in 23 Gemeinden nur ein Kandidat für das Amt.

Demokratische Wahlen werden so ad absurdum geführt. Und das kann in niemandes Interesse liegen.