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Risiko Raiffeisen

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Das Prinzip Hoffnung ist im Bankgeschäft fehl am Platz.


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Vom legendären US-Schauspieler, Komiker, Autor und Cowboy Will Rogers (1879-1935) ist folgendes Sprichwort überliefert: "When you find yourself in a hole, stop digging." Übersetzen könnte man diesen Spruch mit: "Wenn man sich in einem Loch wiederfindet, sollte man aufhören, zu graben." Das ist in etwa das Gegenteil von "Augen zu und durch".

Es gibt eine Berufsgruppe, der man diesen Sinnspruch eingraviert auf den Schreibtisch stellen sollte: Top-Banker.

Jüngstes Beispiel: Die Raiffeisen Bank International, kurz RBI.

Lange Jahre machte die RBI gute Geschäfte in Russland, doch seit der Krim-Annexion von 2014 sollte klar geworden sein, dass der Bankenplatz Russland toxisch geworden ist. Doch hat die Bank ihr Exposure in Russland verringert? Nein.

Das Top-Management der RBI entschied: Man gräbt weiter.

Am 24. Februar 2022 dann die nächste Zäsur: Wladimir Putin befiehlt den Angriff auf die Ukraine und bringt die Russische Föderation auf Kriegskurs gegen die Ukraine und in Konfrontationsstellung gegen die Europäische Union.

Spätestens jetzt muss jedem im Spitzenmanagement der Bank im Kreis um Vorstandsvorsitzenden Johann Strobl klar geworden sein, dass sich die Geschäftsgrundlage der RBI-Russland drastisch verändert hat. Doch man gräbt weiter. Oder doch nicht? Die ersten Verkaufsgerüchte machen die Runde, aber wie sagte Strobl einst so treffend wie trivial: "Eine Bank ist kein Würstelstand."

Als man feststellen muss, dass man die RBI in diesem Umfeld nicht mehr so mir nichts, dir nichts verkaufen kann, ohne schwere Verluste zu erleiden, kommt die nächste Idee: "Operation Roter Vogel". Die europäischen Assets der staatlich-russischen Sberbank, deren Vermögen in der EU festgefroren sind, sollen gegen die RBI Russland eingetauscht werden. Doch irgendwer - der Verdacht fällt auf Raiffeisen-interne Kritiker des Deals - schießt den Roten Vogel ab und die Story landet im "Falter".

Das Loch, in dem man steckt, ist schon recht tief.

Mittlerweile gibt es Unmut beim Mitbewerb. Erste Group und Bank Austria müssen negative Auswirkungen auf den Bankenstandort fürchten. Im Falle von US-Sanktionen gegen die RBI kämen nämlich österreichische Institute in Schieflage, weil sie alle durch intensive Geschäftsbeziehungen mit den RBI-Shareholdern (den acht Raiffeisen-Landesbanken) eng verflochten sind. Man kann davon ausgehen, dass Expertinnen und Experten in der Nationalbank deswegen längst ins Grübeln geraten sind.

Das Bankgeschäft ist ein Geschäft mit Risiko. Zaudern, Zögern und Trödeln sind dabei ebenso wenig eine Tugend wie Management nach dem Prinzip Hoffnung.