ÖVP und Grüne setzen auf Härte nach außen und den Willen zum Konsens nach innen.
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Ein Gutes hat der dunkle Februar für die türkis-grüne Koalition: Beide Parteien wissen jetzt, worauf sie sich eingelassen haben. Und die Bürger lernen, schöne Worte von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Es ist etwas anderes, sich die absehbaren Krisenszenarien im Kopf durchzuspielen und Lösungskonzepte zu entwerfen, als solche Stresstests real durchstehen zu müssen. Insbesondere in einer öffentlichen Atmosphäre, die Differenzierung in der Sache zusehends als Charakterschwäche, wenn nicht gleich als Ausweis einer mangelhaften Gesinnung versteht.
Aus einiger Distanz beobachtet, verwundert es, wie offen ÖVP wie Grüne den Konflikt auf offener Bühne anheizen - in der sicheren Annahme, dass sich die für die je eigene Öffentlichkeit inszenierte Eskalationsstrategie hinterher schon wieder einfangen lässt. Es haben sich allerdings auch schon Meistertaktiker schwer in den eigenen Winkelzügen verheddert. Dazu zählt die Frontalattacke der ÖVP vom Bundeskanzler abwärts auf die Korruptionsstaatsanwaltschaft wie das an eine Generalabrechnung erinnernde Eingangsstatement der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer bei ihrer Pressekonferenz am Dienstag.
Beides erzeugt Erwartungshaltungen bei Freund und Feind, die am Ende weder von der ÖVP noch von den Grünen erfüllt werden können - jedenfalls eher nicht in aufrechter Koalition.
Dabei ist die stärkere Differenzierung zwischen Regierungsmannschaft und Parlamentsklub, wie sie sich in den vergangenen Wochen bei den Grünen aus der politischen Not abzeichnet, durchaus eine interessante Entwicklung. Demokratiepolitisch wären Parlamentarier mit mehr Selbstbewusstsein und größerer politischer Autonomie durchaus ein Gewinn im Vergleich zur bisherigen Konstellation der kategorischen Unterordnung gegenüber der Übermacht der Exekutive. Dieser Spielraum endet jedoch bei sämtlichen Fragen, die am Kern der Koalitionstreue rühren. Die Verweigerung der Mehrheit ist das einzige, allerdings endliche Druckmittel eines Juniorpartners.
Wie gefährdet ist also diese Koalition? Darauf gibt es nicht die eine eindeutige Antwort, weil sie davon abhängt, wer diese gibt. Einst wurden die schon damals heftigen Konflikte beinhart hinter den Kulissen ausgetragen. Heute sind alle Beteiligten auf die offene Bühne gezwungen - vom digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit und den politischen Möglichkeiten der Opposition.
Dabei steigt nicht nur das Risiko, dass sich die Koalitionspartner bei der Schmerzgrenze des jeweils anderen verkalkulieren. Das gilt im Übrigen auch für den Langmut der Wähler.