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Die Wege zum eigenen Wohnraum.
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Gott beschütze uns vor den Beschützern, möchte man angesichts des breit angelegten Feldzugs gegen die Verordnung für nachhaltige Vergabestandards bei der Finanzierung von Wohnimmobilien gerne ausrufen. Aktuelles Objekt der Fürsorge ist die Jungfamilie, deren Zugang zum Kredit für die eigenen vier Wände so niederschwellig als möglich, sozusagen barrierefrei, sein soll. Klingt gut, aber haben wir die Immobilienkrisen in den USA und Spanien 2007 sowie in Irland 2008, deren Zwangsräumungen und -versteigerungen und nachhaltige Schäden an Konjunktur und Beschäftigung bereits vergessen?
Grundsätzlich nicht, denn bereits das 2015 verabschiedete Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz legt fest, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung sich nicht hauptsächlich auf den Wert der Immobilie beziehungsweise dessen erwartete Steigerung stützen darf, sondern auf die finanzielle Potenz des Kreditnehmers abzustellen hat. Auch wurden die entsprechenden Gremien zur Bewertung der volkswirtschaftlichen Risiken eingerichtet, im Jahr 2010 bei der Europäischen Zentralbank (EZB) der Europäische Ausschuss für Systemrisiken und danach dessen nationales Pendant, das großteils vom Finanzministerium beschickte Finanzmarkstabilitätsgremium.
Auffälliges Wachstum der Immobilienpreise und -kredite
Beide stellen seit Jahren in Österreich ein auch im europäischen Vergleich - euphemistisch formuliert - auffälliges Wachstum der Immobilienpreise und Immobilienkredite fest, ebenso ein zu geringes Augenmerk auf die Fähigkeit des Kreditnehmers, seine Verbindlichkeiten auch unter erwartbaren Risiken ordnungsgemäß zurückzuzahlen. Konkret: Von 2010 bis 2021 haben sich hierzulande die Immobilienpreise verdoppelt, im Euroraum stiegen sie nur um etwas mehr als ein Drittel an. In Österreich stiegen die Immobilienkredite seit 2010 um 4,2 Prozent, im Euroraum lediglich um 2,6 Prozent.
Vor diesem Hintergrund hat die Finanzmarktaufsicht obige Verordnung erlassen, die ohnedies sehr großzügige Obergrenzen bezüglich Laufzeit, Beleihungsquote des Objekts und Schuldendienstquote bezogen auf das monatliche Einkommen festlegt. Angesichts einer nun zunehmend weniger expansiven Geldpolitik der EZB und damit bescheidenerer Perspektiven für weiter nach oben kletternde Immobilienwerte kommen diese seit dem heurigen August geltenden Regeln sicherlich nicht zu früh. Sie sind notwendiger Verbraucherschutz und volkswirtschaftliche Vorsicht zugleich und sollten gerade in der Phase steigender Zinsen nicht angetastet werden.
Gleichzeitig ist das politische Ziel, den Zugang zu Wohnraum im Eigentum zu erleichtern, durchaus zu begrüßen, vor allem unter den Aspekten der Vermögensbildung und der Altersvorsorge. Der Weg dorthin führt aber primär über die Baukosten, die - auch wenn man die Effekte des allseits bekannten Virus und des Krieges zwischen den zwei größten Staaten Europas herausrechnet - exorbitant gestiegen sind und einer Korrektur bedürfen.
Potenziale heben, Baubranche attraktivieren
Vier Pfade führen zum angestrebten Ziel. Beginnen wir bei Planung und Konstruktion, so ist nicht nur, aber insbesondere bei Einfamilienhäusern die individuelle Maßanfertigung Trumpf. Ein gut konzipierter Systembau, bei dem wesentliche Elemente kostengünstig vorgefertigt werden, lässt dank flexibel programmierbarer Fertigungsanlagen genügend Spielraum für jeden Wunsch an Gestaltung und Material, und niemand wird in einer Taschenbuchausgabe eines DDR-Plattenbaus wohnen müssen.
Darf man hinsichtlich der Entwicklung der Baustoffpreise und des hohen Konzentrationsgrades dieser Industriezweige sicher sein, dass ausreichend Wettbewerb herrscht? Möglich ist es, aber angesichts der vor zehn Jahren aufgedeckten Preisabsprachen der Dämmstoffbranche oder der bekannt gewordenen Zementkartelle in Europa wären Branchenuntersuchungen der Bundeswettbewerbsbehörde hilfreich, um Gewissheit zu gewinnen und das Vertrauen in einen funktionierenden Markt zu stärken.
Zum Dritten sind die Potenziale zu heben, die sich aus einer verbraucherfreundlichen Normung und aus Bauvorschriften mit Augenmaß ergeben. Die Klagen der Bauträger über überbordende Bestimmungen zu Schall- und Brandschutz, Barrierefreiheit, Autoabstellplätzen, Aufzügen, Gängen und Fenstern sind bekannt, bewirkt haben sie bisher offensichtlich wenig.
Bleibt zu guter Letzt das Bauhandwerk, in dem zu wenige Betriebe mit zu wenigen Mitarbeitern einer ungebrochen hohen und damit preistreibenden Nachfrage gegenüberstehen. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verfügt über genügend Hebel, um den Zustrom zur Ausbildung in Handwerksberufe zu stärken, die Gründung neuer Betriebe zu forcieren und somit befriedigende und verlockende Berufsperspektiven zu schaffen. Diese Initiativen könnten Hand in Hand mit der beruflichen Integration von Einwanderern gehen, und wer weiß, wer dann die hiesige Entsprechung zum in England mittlerweile schmerzlich vermissten "Polish Plumber" sein wird?
Zugegeben, die Senkung des Finanzbedarfs für Wohnraum ist mühsamer als ein Laissez-faire bei Krediten, sie entspricht dem starken, langsamen Bohren von harten Brettern im Sinne von Max Weber, aber am Bau sollte das zu bewerkstelligen sein.