Die EU läuft Gefahr, ihren Einfluss auf dem Westbalkan zu verlieren.
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Aleksandar Vucic blieb skeptisch. Es sei zwar nett, eine weitere gemeinsame Erklärung abzugeben, befand Serbiens Premier gegenüber serbischen Medien. Aber danach würden die Streitereien trotzdem weitergehen. Der Politiker, der in zwei Wochen die Präsidentenwahl in seinem Land gewinnen möchte, kommentierte so ein Gipfeltreffen mit fünf Amtskollegen in Sarajevo. In der bosnischen Hauptstadt saß er mit den Premiers aus Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo zusammen. Angereist war ebenfalls der für Erweiterungsverhandlungen zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn.
Und trotz aller Einwände war Vucic eben auch anwesend und trug das Schlussdokument der Konferenz mit. Von einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit auf dem Balkan ist darin die Rede, beim Vorgehen gegen die Korruption, im Kampf gegen Terrorismus, in der Wirtschaft. So gibt es die Idee, einen gemeinsamen Binnenmarkt mit rund 20 Millionen Menschen zu etablieren. Das könnte nicht nur Investitionen ankurbeln und Aufschwung für etliche Unternehmen bringen, sondern auch an die 80.000 neue Jobs bis zum Jahr 2025 schaffen, legte Hahn dar.
Auf dem Westbalkan, wo in weiten Teilen die Arbeitslosigkeit hoch ist, wird kaum ein Politiker das Vorhaben offen ablehnen. Doch die Hürden dafür sind hoch. Es mangelt an grenzüberschreitender Infrastruktur: Die Länder, die einst alle Teil Jugoslawiens waren, sind nicht unbedingt mit einem guten Straßen- und Schienennetz verbunden.
Hinzu kommen politische Reibereien - und nicht zuletzt die hat Vucic angesprochen. Belgrad streitet mit Pristina um Ansprüche auf Staatseigentum im Kosovo, dessen Unabhängigkeit Serbien nicht anerkennt. Politiker in Skopje werfen Kollegen in Tirana vor, albanische Parteien in Mazedonien zu beeinflussen. Die Zersplitterung in Bosnien macht eine wirtschaftliche und politische Gesamtstrategie für alle Landesteile überhaupt schwierig. Und Montenegro ist derzeit damit beschäftigt, in andere Strukturen aufgenommen zu werden: Noch heuer soll es Mitglied des transatlantischen Militärbündnisses Nato werden.
So kommen neben der Europäischen Union auch andere Mächte ins Spiel. Russland widersetzt sich einem Nato-Beitritt Montenegros und will generell in der Region seinen Einfluss ausweiten - schon allein, um den Prozess der EU-Annäherung der Balkan-Staaten zu stören. Die Türkei könnte auch noch ihre geopolitischen Interessen entdecken. Ob umgekehrt die USA unter Präsident Donald Trump ihr Engagement auf dem Westbalkan aufrechterhalten, ist noch unklar.
Dass es daher umso wichtiger für die EU wäre, die Region nicht zu vernachlässigen, dürfte sich langsam herumgesprochen haben. Manche Spitzenpolitiker warnen schon vor neuen Spannungen in und zwischen den Balkan-Ländern. Beim letzten Gipfel bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der Union die EU-Perspektive der Staaten. Doch eine weitere gemeinsame Erklärung könnte zu wenig sein. Der Einsatz für die Beitrittskandidaten muss glaubhaft sein. Deren Abwendung von der EU ist nämlich nicht in Europas Interesse.