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Anfang 2004 gerieten Indien und Pakistan und der sie trennende Kaschmir-Konflikt wieder in die Schlagzeilen - diesmal jedoch positiv, indem sie einen neuen Anlauf für eine Lösung unternahmen. Die geopolitische Sprengkraft Kaschmirs ist klar: Zwei Atommächte in einer der instabilsten Regionen der Welt, kombiniert mit der Rolle Pakistans in Afghanistan, der jahrelangen Duldung der für ein freies Kaschmir kämpfenden Milizen, einer am Boden liegenden Wirtschaft und der aufstrebenden Rolle Indiens stellen ein explosives Gemisch dar. Jeder Dialog muss daher unterstützt werden, um einen Flächenbrand mit globalen Folgen zu verhindern.
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Der Zankapfel Kaschmir wurde beiden Staaten in die Wiege gelegt. Britisch-Indien wurde per Verwaltungsdekret geteilt, wobei die indischen Maharadschas sich frei für Indien oder Pakistan entscheiden durften. Im Bergstaat Jammu und Kaschmir, der an Indien, China und Pakistan grenzt, konnte sich der Maharadscha nicht entscheiden, was zum ersten Krieg und zur Teilung führte. Seither beanspruchen beide Länder das Gebiet für sich.
Im geopolitischen Kontext erhält Kaschmir eine viel größere Dimension. Dabei ist vor allem die Rolle Chinas wesentlich. China ist Indiens größter Nachbar und nimmt eine zentrale Stelle in den strategischen Überlegungen Neu Delhis ein, hat es doch auch wesentliches Interesse an der strategisch wichtigen Verbindungsstrecke Tibet-Sinkiang. 1963 ließ sich China einen Teil des pakistanisch besetzten Gebietes im Kaschmir abtreten. Indien bestreitet die Gültigkeit dieses Abkommens, da es kein Interesse an einer durchgängigen Verbindung Chinas nach Pakistan - beides Verbündete - haben kann.
Mittlerweile beruhigte sich die Lage zwar, vor lauter strategischen Überlegungen sollte jedoch nicht vergessen werden, dass seit 1989 etwa 40.000 Menschen in diesem Konflikt starben. Alleine das sollte Motivation genug sein, um endlich zu einer tragfähigen Lösung zu kommen.
Regionale Stabilität?
Seit dem 11. September 2001 hat der Konflikt einige neue Dimensionen erhalten: Trotz aller Rivalitäten haben sich Indien und China in den vergangenen beiden Jahren langsam angenähert. Pakistan musste auf Druck der USA dem Terrorismus und seiner Unterstützung abschwören, um die dringend erforderliche Wirtschaftshilfe von den USA zu erhalten. Indien versucht sich gegenüber Washington als Demokratie zu profilieren, um auch Wirtschaftshilfe zu erlangen. Es wird aber mit Russland weiterhin kooperiert und Rüstungsmaterial im Wert von Milliarden Dollar eingekauft. Der seit November 2003 in Kraft bestehende Waffenstillstand und die Erklärung des pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf, keine terroristischen Aktionen von pakistanischem Territorium aus zu unterstützen oder zuzulassen, hatten den Dialog ab Februar 2004 ermöglicht.
Die Vereinigten Staaten haben in diesem Spiel eine wesentliche Rolle übernommen: Sie versuchen weiterhin, Indien als einen Stabilitäts- und Ordnungsfaktor in der Region aufzubauen. Indien sah sich selbst zwar lange eher als Verbündeter der Sowjetunion und Russland, hat aber in dem 11. September 2001 einen bemerkenswerten Schwenk in Richtung Vereinigte Staaten vollzogen und gefällt sich durchaus in der Rolle des US-Verbündeten. Dies auch unter dem Aspekt, eventuell sogar permanentes Mitglied im UNO-Sicherheitsrat zu werden. Gleichzeitig unterstützen die USA das deutlich schwächere Pakistan.
Unbestritten ist, dass zwar ein "positiver Wind" weht - unbestreitbar ist auch, dass die Region nach wie vor instabil ist und jede Aktivität einem Drahtseilakt gleicht: "Geopolitik auf höchstem Niveau". Terrorattacken eignen sich besonders im Kaschmir, um das fragile Gleichgewicht zu stören. Dagegen gibt es nach wie vor kein Abwehrsystem, sondern nur Besonnenheit. Die Gespräche werden zeigen, ob diese Qualität in der jeweiligen politischen Führung vorhanden ist.
Literaturtipps
Peter Lavoy: Fighting Terrorism, Avoiding War. The Indo-Pakistani Situation, Joint Force Quarterly, 32/02, S. 27-34.
Links:
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/ regionen/Kaschmir
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/ Indien/Aktuell-Chronik