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"Riskieren Verlust grüner Märkte"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Connie Heedegard zweifelt an einem Klimapakt. Foto: ec

Wenn EU nicht investiert, macht China das Geschäft. | China mauert, will eigene CO2-Ziele. | Nachfolger für Kyoto-Protokoll wird unwahrscheinlicher. | "Wiener Zeitung": Seit der Weltklimakonferenz in Cancun letzten Dezember ist es recht ruhig um die internationalen Klimaschutzverhandlungen geworden. Wie kann der Prozess heuer zu einem Erfolg führen? | Connie Hedegaard: Beim Treffen der Umweltminister am kommenden Montag werden wir unsere Strategie nach Cancun diskutieren. Dort haben wir entschieden, dass alle Parteien langfristige Fahrpläne bis 2050 vorlegen sollen.


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Das haben wir mit unserer Strategie für eine kohlenstoffarme Wirtschaft getan und damit ein gutes Signal an die internationalen Klimaverhandlungen sendet. Wir brauchen Fortschritte bei der nächsten Weltklimaschutzkonferenz in Durban, Südafrika, Ende dieses Jahres. Dafür müssen wir endlich zu handeln beginnen.

Wird es in Durban endlich das seit langem angestrebte Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll geben?

Wir sind für ein rechtlich verbindliches Weltklimaschutzabkommen in Durban, aber wir wissen, dass das bis dahin nur sehr schwierig zu bekommen ist. Denn etwa die USA haben bereits sehr klargemacht, was sie davon halten. Wir werden weiter versuchen, Druck dafür zu machen, aber es gibt auch andere Dinge, die wir in Durban erreichen können: zum Beispiel Branchenkooperationen, eine Reform des CDM-Systems (Anrechnung grüner Investitionen in Entwicklungsländern auf die eigene CO2-Bilanz, Anm.) oder die Einbeziehung der Schifffahrt und des Flugverkehrs. Es hat keinen Sinn, dass diese beiden Bereiche bisher nicht Bestandteil der internationalen Verhandlungen sind.

enn es sehr unsicher ist, dass es in Durban ein Abkommen gibt, wie sehen Sie dann die Chancen für 2012? Da läuft das Kyoto-Protokoll schließlich aus.

Wir haben schon letztes Jahr erklärt, dass wir auch mit einer zweiten Verpflichtungsperiode - einer Verlängerung - des Kyoto-Protokolls einverstanden sein könnten. Aber dafür muss es Bedingungen geben und andere - die bisher nicht voll eingebunden sind - müssen sich ebenfalls verpflichten. Aber Japan hat gesagt, dass es auf keinen Fall einer zweiten Periode zustimmen könnte, ohne dass die USA mitmachen. Und jeder weiß, dass die USA Kyoto niemals umsetzen werden. Hätten sich in Cancun alle wie Japan geäußert, hätten die Entwicklungsländer (die für eine Verlängerung von Kyoto sind, Anm.) damals zu gar nichts zugestimmt.

Und die Industrieländer haben es inzwischen geschafft, eine Anstoßfinanzierung für den Klimaschutz in den Entwicklungsländern über 30 Millionen Euro für die Jahre 2010, 2011 und 2012 zur Verfügung zu stellen. Was für diese Länder jetzt entscheidend ist, ist, dass es nicht nur Zusagen bleiben, sondern sie dieses Geld in konkreten Projekten arbeiten sehen. Das sind die Maßstäbe an denen wir gemessen werden, wenn wir einander in Durban treffen.

Es gibt so wenige Fortschritte, dass Sie sich sogar von einem Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll bereits verabschieden?

Es gibt schon Fortschritte: Mehr als 80 Länder haben sich seit der Weltklimaschutzkonferenz in Kopenhagen 2009 eigene Klimaschutzziele gesetzt und sind dabei, diese in ihren Rechtsordnungen umzusetzen - darunter die meisten G20-Länder. Damals hatte das außer uns und den

Norwegern niemand gemacht.

Wie sieht es mit dem inzwischen größten CO2-Emittenten China aus?

China wird am Samstag seinen neuen Fünf-Jahresplan präsentieren. Und wir wissen bereits, dass darin CO2-Ziele und Ansätze zur Einpreisung der Emissionen kommen werden. In der Anfangsphase wird es dort riesige Pilotprojekte in Großstädten in acht Provinzen geben.

Doch bei den internationalen Verhandlungen mauert China.

Die USA sagen, sie sind für ein rechtlich verbindliches Abkommen, aber nur wenn es genauso für China gilt. Und die Chinesen sagen, sie wollen nicht genauso streng verpflichtet werden wie die USA. Das ist die große Hürde, die wir am Weg nach Durban und in Durban überwinden müssten. Das ist nicht sehr einfach.

Während die Verhandlungspartner einander blockieren, empfehlen Sie der EU-Wirtschaft, über die kommenden 40 Jahre 270 Milliarden Euro jährlich in die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu investieren. Ist das nicht ein Widerspruch?

Wir sollten nicht naiv sein und unsere Handlungen nur daran knüpfen, was der Rest der Welt in den internationalen Klimaschutzverhandlungen formal macht. Denn obwohl China formal keine Zusagen gibt, macht es in der Realität Fortschritte. Es wäre daher kurzsichtig, wenn Sie Investitionen in diesen Bereich nur als Kosten und Ausgaben betrachten, die wir uns wegen der Krise nicht leisten können. Denn in dem Fünf-Jahresplan, den China vorstellt, wird es sieben Prioritäten geben. Darunter befinden sich Elektrofahrzeuge, Energieeffizienz und Batterietechnologie - also Bereiche, von denen wir in Europa glauben, Vorreiter zu sein. Wir riskieren jene Märkte zu verlieren, welche für viele Jahre am schnellsten wachsen könnten, wenn wir jetzt nicht investieren. Am Ende wäre das sehr teuer.

Zur Person

Connie Hedegard (50) ist seit 2010 die Klimaschutzkommissarin der EU. 2009 leitete sie als dänische Umweltministerin die UN-Weltklimaschutzkonferenz in Kopenhagen. Damals trat sie aber vor dem Eintreffen der Regierungschefs von ihrem Amt frustriert zurück.

Ihre Verhandlungsführung hatte bei einigen Delegationen Kritik hervorgerufen, manche sahen sich ungenügend in die Beratungen eingebunden. Hedegard konterte damals, dass sich die Leute in dem Verhandlungsprozess wie "Schulkinder verhalten". Zudem kritisierte sie, dass sich die Länder ihren Spielraum bei den Verhandlungen möglichst lange offen halten.

Siehe auch:Experten befürchten Klimaschutzlücke