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Die EZB hat die Gefahr einer anhaltend hohen Teuerung lange kleingeredet. Die Eurozone bleibt unter Druck.
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Die Europäische Zentralbank, die sich in ihrer ersten großen Bewährungsprobe, der Schulden- und Euro-Krise ab 2009, als Retterin der Gemeinschaftswährung beweisen konnte, wird nun bei ihrer zweiten großen Herausforderung auf dem falschen Fuß erwischt. Nicht nur, dass die Teuerung im Mai mit 8,1 Prozent - in Österreich 8,0 Prozent - die Befürchtungen noch übertroffen hat, liegt der Kaufkraftverlust damit beim Vierfachen des eigentlichen Zielwerts von 2 Prozent.
Man darf die Aufgabe der EZB nicht kleinreden, muss diese doch einen ständigen Spagat bewältigen. Hinzu kommen Entwicklungen wie der Krieg in der Ukraine, dessen Folgen für Wachstum und Energiekosten niemand absehen konnte. Doch im Bemühen, sich behutsam aus der mittlerweile achtjährigen geldpolitischen Anomalie negativer Zinsen herauszusteuern, wird die EZB von den Ereignissen überrollt.
Monat für Monat melden die Statistiker neue Rekordwerte bei der Teuerung. Dabei wurde die Gefahr anhaltend hoher Inflationszahlen von der EZB lange, zu lange, kleingeredet. Dass die Währungshüter nun doch die Wende schneller vollziehen wollen, zeigt, dass sie sich der Dringlichkeit der Situation bewusst sind. Einer ersten, zarten Zinserhöhung im Juli soll, so ist es nun vorgesehen, im September ein größerer Sprung folgen, der dann auch aus dem negativen Bereich herausführen soll. Schnell und entschlossen sieht trotzdem anders aus.
Mehr als die meisten anderen Sorgenthemen hat, jedenfalls im deutschsprachigen Raum, eine hohe Geldentwertung das Potenzial für politische Turbulenzen. Zwar stimmt schon, dass auch in den 1970ern die Inflation an die 7-Prozent-Marke heranreichte, aber das ist erstens auch bald fünf Jahrzehnte her, und zweitens war das damals noch eine in vieler Hinsicht andere Welt.
In der Euro-Krise hat die EZB viel Druck von den Schultern der Staaten genommen, indem sie bis an die Grenzen ihres Mandats vorgestoßen ist, das die Finanzierung von Budgetdefiziten explizit untersagt. Weil die Staaten der Eurozone die ihnen auf diese Weise verschaffte Zeit aber nicht oder jedenfalls nur kaum für strukturelle Reformen nutzten, sind die Zinsen bis heute im Keller. Und weil eben in etlichen Staaten die Schuldenlast nach wie vor zu hoch ist, bremst die EZB bei den Zinsen. Was diesmal zu Lasten nationaler Budgetdefizite geht, weil die Staaten die erheblichen Folgen der Teuerung für ihre Bürger abfedern müssen.
Es bleibt ein Teufelskreislauf für die EZB - und ein Ritt auf der Rasierklinge für die Eurozone.